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Intox Phaseolus coccineus01
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Bohnen-Vergiftungen.

Bericht von H. Faschingbauer und L. Kofler, Innsbruck.

Ein 73jähriger Herr nahm in der Absicht, sich hinreichend Vitamine zuzuführen, 3½ Stunden nach dem Frühstück zehn rohe Feuerbohnen (Phaseolus coccineus), die 6 Tage gekeimt hatten, zu sich. Es kam sehr bald zu Erbrechen, Stuhldrang und Durchfall. Das Erbrechen erfolgte innerhalb 2 Stunden etwa zehnmal und innerhalb 3 Stunden fanden etwa 20 wässerig-schleimige Stuhlentleerungen statt, jedoch ohne Beimischung von Blut. Nach vorübergehenden Wohlbefinden stellten sich nach 3 Tagen anhaltende und drückende Schmerzen in der rechten Oberbauchgegend ein, die sich auf Druck steigerten und eine Seitenlage unmöglich machten. Es erfolgte geschmackloses Aufstoßen, Harn und Stuhl waren dunkel gefärbt. Der Befund ergab unter anderem geringe Blässe und Blaufärbung, geschwollene Zunge, leicht aufgetriebenes Abdomen ohne Deckenspannung oder schmerzempfindliche Zonen. Die übrige Bauchgegend war mäßig druckempfindlich. Die Konsistenz der Leber war etwas erhöht, das Organ leicht abtastbar und etwas druckempfindlich. Der Harn enthielt Spuren Eiweiß, Zucker und Urobilin. Diese Erscheinungen schwanden in der Folge rasch. Zu gleicher Zeit aß die 38jährige Tochter des Genannten drei Bohnen. Die Krankheitssymptome beschränken sich hier nur auf 2stündiges Erbrechen.

Das beschriebene Krankheitsbild ließ an eine Phasin- eventuell Blausäureglykosid-Vergiftung denken. Charakteristisch waren die Reizungserscheinungen des Magen-Darmkanals und die Vergrößerung der Leber. Phasin, das als pflanzliches Hämagglutinin anzusprechen ist, scheint nach seiner Resorption Agglutinationsvorgänge (Zusammenballen von Blutkörperchen) im Pfortadergebiet hervorzurufen und die Leber vorübergehend mit Abbauprodukten des Hämoglobins zu überschwemmen. Mit dieser Annahme steht das Vorhandensein anderer Erscheinungen im Einklang.

Das Schicksal des Giftes im Körper, die Entgiftungs- und Ausscheidungsprozesse sind bisher unbekannt. Wenn über die Wirkung des Phasins beim Menschen noch wenig bekannt ist, so liegt das wohl daran, dass das Gift in der Hitze zerstört wird und die in Frage kommenden Vegetabilien (Bohnen, Erbsen, Linsen, Wicken) nicht roh genossen zu werden pflegen. Lediglich von Kobert und Bartels sind während des Krieges an einigen Gefangenen ähnliche Erscheinungen nach Genuss roher Bohnen beobachtet worden. Drei dieser Fälle endigten mit dem Tode, der vierte genas. Im Gegensatz zu dem hier zu erörternden Falle waren stets große Mengen roher Bohnen gegessen worden.

Versuche, die Lüning und Bartels an Mäusen anstellten, ergaben dass nach Fütterung roher weißer Gartenbohnen (Phaseolus vulgaris) der Tod durchschnittlich nach etwa 3 Tagen eintrat. Die Sektion zeigte Dünndarmkatarrh, Lungenödem, Blutungen in die Nieren und die Darmschleimhaut.

Die von den Verfassern, ebenfalls an Mäusen angestellten Versuche mit Feuerbohnen (roh, gekeimt und gekocht), Gartenbohnen (roh und gekeimt) und Saubohnen (Vicia faba) ergaben, dass die Tiere, die ausschließlich mit dem genannten Material gefüttert wurden, innerhalb weniger Tage eingingen, falls sie rohe oder gekeimte Feuer- oder Gartenbohnen gefressen hatten. Gekochte Feuerbohnen wirkten nicht tödlich, rohe Saubohnen erst nach 3 – 7 Wochen oder überhaupt nicht. Nach diesen Versuchen sind Feuerbohnen nicht giftiger als Gartenbohnen, während Saubohnen (die z.B. in Italien roh gegessen werden) als ungiftig gelten dürfen. Ein Unterschied in der Giftwirkung zwischen Bohnen und Keimlingen ließ sich aus dem versuch nicht herleiten.

Weitere Versuche ergaben, dass die Keimblätter den höchsten Phasingehalt besitzen, dass sich in der Wurzel und im Spross nur eine kleine Menge befindet und die Samenschale nur Spuren enthält. Gekeimte Feuer- und Gartenbohnen wirkten auch stärker agglutinierend (zusammenballend) auf Rinderblutkörperchen als nicht gekeimte.

In den Feuerbohnen, welche die Vergiftung bei beiden Personen hervorgerufen hatten, und aus einer Handlung gekauften Feuerbohnen ließen sich Blausäureglykoside nicht nachweisen, wie dieses bei der Mond- oder Rangoonbohne (Phaseolus lunatus) der Fall ist.

Der Verlauf der beiden mitgeteilten Vergiftungen zeigt zur Genüge, wie gefährlich eine kritiklos durchgeführte Pflanzenrohkost, wie sie jetzt vielfach propagiert wird, unter Umständen werden kann.

(Ausführlicher Bericht in „Wienerklinische Wochenschrift“,1929, Nr. 33, S. 1069)

Referent: C. Bachem, Bonn.

Quelle: Faschingbauer, H.; Kofler, L.: Bohnen-Vergiftungen, Sammlung von Vergiftungsfällen, Band 1 (1930), A 21, S. 49 - 50

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Stand: 31. Oktober 2007

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