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Digitalis-Antidot
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Digitalis-Antidot

Wirkstoff: Digitalis-Antitoxin vom Schaf (Fab)

Stoff- oder Indikationsgruppe: Antidota

Bestandteile: Digitalis-Antitoxin (Fab, Fragment antigen binding, Antikörperfragmente) aus Blutserum immunisierter Schafe. Eine Durchstichflasche Digitalis-Antidot enthält 167,45 mg Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung mit 80 mg Digitalis-Antitoxin; D-Mannit (75 mg, als Stabilisator), Kaliummonohydrogenphosphat, Kaliumdihydrogenphosphat und Natriumchlorid.

Anwendungsgebiete: Lebensbedrohliche Digitalisvergiftungen (Digoxin, Digoxin-Derivate und Digitoxin)

  • mit schweren Herzrhythmusstörungen
  • wenn lebensgefährliche Komplikationen

aufgrund suizidaler oder akzidenteller Einnahme zu erwarten sind.

Als besonders gefährdet gelten Patienten in höherem Alter, mit schwerer kardialer Grundkrankheit und Patienten mit suizidalen Vergiftungen. Multifokale ventrikuläre Extrasystolen, Kammertachykardien, Vorhoftachykardien mit Block, AV-Knotentachykardien und die Kombination von AV-Blockierungen mit Ektopien sowie vor allem das Auftreten von Kammerflattern und Kammerflimmern müssen im Verlauf einer Vergiftung als prognostisch besonders ungünstig betrachtet werden.

Gegenanzeigen: Außer Schafglobulin-Allergie sind keine Kontraindikationen bekannt (vitale Indikation).

Nebenwirkungen: Unter der Therapie mit heterologen Fab-Fragmenten können vereinzelt allergische Reaktionen auftreten. In den bisher beschriebenen Therapiefällen mit Digitalis-Antidot sind jedoch keine Nebenwirkungen bekannt geworden. Da es sich um ein aus Fremdserum vom Schaf gewonnenes Produkt handelt, besteht prinzipiell auch die Möglichkeit einer Sensibilisierung. Bei einer später erneut notwendigen Applikation von Schafglobulinen ist deshalb an die Möglichkeit schwerer akuter, evtl. lebensbedrohlicher anaphylaktischer Reaktionen zu denken.

Wichtigste Inkompatibilitäten: Hierüber liegen keine Untersuchungen vor. Daher kann nur die Anwendung mit isotonischer Natriumchlorid-Lösung ohne Beimischung empfohlen werden.

Dosierung mit Einzel- und Tagesgaben: Entscheidend für die Höhe der erforderlichen Antikörper-Dosis ist die im Körper vorhandene Glykosidmenge. Daher sollte immer (soweit wie möglich) die eingenommene Glykosidmenge in Erfahrung gebracht werden. Die erforderliche Dosis von Digitalis-Antidot kann dann wie folgt festgesetzt werden:

80 mg Digitalis-Antidot binden 1 mg Digoxin oder Digoxin-Derivate bzw. Digitoxin im Körper.

Bei der Berechnung der Fab-Dosis sollten folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden: Bei Erbrechen bzw. Magenspülung kann die zur Resorption stehende Glykosidmenge reduziert sein. Durch Abführmittel kann die Ausscheidung beschleunigt werden. In Abhängigkeit von der biologischen Verfügbarkeit der einzelnen Glykosidpräparate gelangt nur ein bestimmter Prozentsatz der Glykosidmenge zur Resorption. Ein Teil der bereits resorbierten Menge kann im Körper verstoffwechselt worden sein.

Beispiel einer Dosisberechnung:

Bei Einnahme von 10 mg Digoxin stehen z. B. durch Erbrechen und Magenspülung ca. 10 – 20 % (= 1 – 2 mg) nicht mehr zur Resorption zur Verfügung. Von der im Körper verbleibenden Glykosidmenge (8 – 9 mg) werden ca. 80 % (6 – 7 mg) resorbiert und davon ca. 10 % in 12 Stunden abgebaut. Es verbleiben ca. 6 mg im Körper, die durch Anwendung von 6 Ampullen zu 80 mg gebunden werden können.

Wenn die eingenommene Glykosidmenge nicht ermittelt werden kann, sollte entsprechend der klinischen Erfahrung eine Dosis von 6 Durchstichflaschen verabreicht werden.

Auch bei Kindern richtet sich die Dosis nach der aufgenommenen Glykosidmenge und nicht nach dem Körpergewicht. Es gelten daher die gleichen Dosierungs- und Anwendungsempfehlungen.

Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sind nach den bisherigen Erfahrungen wie Nierengesunde zu behandeln. Es empfiehlt sich eine längere Beobachtungszeit, entsprechend dem verminderten Anteil der renalen Elimination.

Die Rhythmusstörungen bilden sich im allgemeinen 1 – 3 Stunden nach Beginn der Therapie als Zeichen einer zunächst ausreichenden Dosis von Digitalis-Antidot zurück. Sollten in Einzelfällen auch noch nach 10 Stunden und mehr erneut Rhythmusstörungen auftreten, kann eine weitere Gabe von Digitalis-Antidot indiziert sein.

Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen liegt die häufigste Dosierung bei 6 Durchstichflaschen Digitalis-Antidot.

Art und Dauer der Anwendung: Der Inhalt der benötigten Durchstichflaschen wird jeweils mit 20 ml steriler isotonischer Natriumchlorid-Lösung unter leichtem Schütteln (möglichst ohne Schaumbildung) gelöst. Anschließend werden diese Lösungen von Digitalis-Antidot in eine leere Infusionsflasche bzw. zu steriler isotonischer Natriumchlorid-Lösung gefüllt und als Kurzinfusion während ca. 1 /2 Stunde i.v. verabreicht.

Unmittelbar vor der Infusion von Digitalis-Antidot muss mittels Intrakutan- und Konjunktivaltest auf Allergie getestet werden.

Zu Beginn der i.v. Infusion muss sorgfältig auf beginnende Schocksymptome geachtet werden (ärztliche Aufsicht!).

Notfallmaßnahmen, Symptome und Gegenmittel: Überdosierungen und Intoxikationen sind nicht bekannt.

Therapie des anaphylaktischen Schocks

Es wird im allgemeinen folgendes Vorgehen empfohlen:

Bei den ersten Anzeichen (Schweißausbruch, Übelkeit, Zyanose)

  • Injektion/Infusion unterbrechen, Kanüle in der Vene belassen
  • respektive einen venösen Zugang schaffen.

Neben anderen gebräuchlichen Notfallmaßnahmen

  • Kopf-/Oberkörper-Tieflage
  • Atemwege freihalten.

Medikamentöse Sofortmaßnahmen

sofort: Epinephrin (Adrenalin) i.v.

Nach Verdünnen von 1 ml der handelsüblichen Epinephrin-Lösung (1 : 1000) auf 10 ml

wird zunächst davon 1 ml (= 0,1 mg Epinephrin) unter Puls- und Blutdruckkontrolle langsam injiziert (cave Herzrhythmusstörungen).

Die Epinephrin-Gabe kann wiederholt werden.

danach: Volumensubstitution i.v. z. B. Plasmaexpander, Humanalbumin, Vollelektrolytlösung.

anschließend: Glucocorticoide i.v. z. B. 250 – 1000 mg Prednisolon (oder äquivalente Menge eines Derivates).

Die Glucocorticoid-Gabe kann wiederholt werden.

Weitere Therapiemaßnahmen erwägen:

z. B. künstliche Beatmung, Sauerstoffinhalation, Calcium, Antihistaminika.

Adrenalin- und Glucocorticoiddosen bei Kindern entsprechend Alter und Gewicht reduzieren.

Den Patienten sorgfältig überwachen.

Pharmakologische Eigenschaften:

Wirkungen: Die klinische Wirksamkeit von Digitalis-Antidot ist für Digoxin, Digoxin-Derivate und Digitoxin nachgewiesen. Sie beruht auf einer raschen und nahezu vollständigen Bindung des im Extrazellulärraum vorhandenen freien Glykosids zu unwirksamen Antikörper-Glykosid-Komplexen.

Aufgrund des Konzentrationsgefälles kommt es in der Folge zu einer Diffusion des intrazellulären Glykosids in den Extrazellulärraum, wo es von den hier vorliegenden Antikörpern fortlaufend neutralisiert wird.

Für diesen Wirkmechanismus sprechen der hohe Anstieg des an Antikörper gebundenen Glykosids und der Abfall von freiem Glykosid im Serum bei Infusion von Digitalis-Antidot.

Toxikologische Eigenschaften: In tierexperimentellen Untersuchungen konnten keine Symptome für Unverträglichkeit festgestellt werden. Die Frage der Sensibilisierung durch die heterologen glykosidspezifischen Antikörperfragmente wurde tierexperimentell nicht untersucht.

Pharmakokinetik:

Unmittelbar nach Beginn der Infusion von Digitalis-Antidot steigt die Konzentration der an Fab gebundenen Glykoside im Serum steil an (bisheriger Maximalwert über 300 ng/ml), während das freie Glykosid auf Werte unterhalb der Nachweisgrenze absinkt. Nach Überschreiten des Maximums sinkt der Gesamtglykosidspiegel kontinuierlich entsprechend der Eliminationsgeschwindigkeit der Fab-Glykosid-Komplexe mit einer anfänglichen Halbwertszeit von 15 Stunden, die sich nach einem Tag auf etwa 26 Stunden erhöht. Das Serum enthält also im Mittel während der ersten 10 Stunden nach Applikation von Digitalis-Antidot fast ausschließlich an Fab gebundenes, neutralisiertes Glykosid.

Der freie Glykosidspiegel steigt zwischen der 8. und 12. Stunde nach Beginn der Fab-Verabreichung wieder an.

Aus dem Verhalten der Serumspiegel von freien und an Fab gebundenen Glykosiden im Serum kann man im Verteilungsvolumen auf ein Kompartiment mit dem Glykosidanteil schließen, der an den Zelloberflächen lediglich absorbiert ist. Dieser Glykosidanteil tritt nach der Fab-Infusion mit einer Halbwertszeit von etwa 12 Minuten in das Serum über und bewirkt den anfangs sehr steilen Glykosidanstieg. Ein tiefer gelegenes, weit größeres Gewebskompartiment (Zellmembranen, Intrazellulärraum) lässt die Glykosidmoleküle mit einer Halbwertszeit von etwa 8 Stunden in das Serum übertreten, solange freie Fab-Fragmente im Überschuss vorhanden sind. Im Harn korreliert die Konzentration des freien und des gesamten Glykosids mit dem freien und Gesamtglykosidspiegel im Serum. Erst wenn die Bindungskapazität der Fab-Fragmente im Serum erschöpft ist und weiterhin aus dem großen Verteilungsvolumen für Digitalis (Muskulatur) Glykosid in das Serum übertritt, wird wieder freies Glykosid sowohl im Serum als auch im Urin nachweisbar (im Mittel nach etwa 10 Stunden, s. o.). Die Glykosid-Fab-Komplexe werden zu etwa 56 % renal ausgeschieden.

Auch nicht nierenpflichtige Glykoside werden deshalb, wenn sie an die Fab-Fragmente gebunden sind, mit vergleichbarer Eliminationsgeschwindigkeit nierengängig gemacht.

Sonstige Hinweise:

Allergietestung

Bei Digitalis-Antidot handelt es sich um Fragmente heterologer, vom Schaf stammender Antikörper. Obwohl durch Papainspaltung die komplementaktivierenden Fragmente des Immunglobulins abgetrennt wurden und die Molekülgröße sehr deutlich reduziert ist, besteht besonders bei mehrfacher Verabreichung die Gefahr von Allergie bzw. Anaphylaxie gegen die Digitalis-Antikörper-Fragmente. Deswegen müssen vor Beginn der Behandlung der Intrakutan- und Konjunktivaltest auf Allergie durchgeführt werden.

Intrakutantest

0,1 ml der nach Gebrauchsanweisung bereiteten Digitalis-Antidot Lösung wird in einer Spritze mit steriler isotonischer Natriumchlorid-Lösung auf 0,4 ml aufgefüllt. Davon wird 0,1 ml (entsprechend ca. 0,1 mg Digitalis-Antitoxin (Fab) vom Schaf) an der Innenseite des Unterarms intrakutan appliziert. Bildet sich innerhalb der nächsten 15 Minuten eine starke Quaddel mit Erythem an der Injektionsstelle, so liegt eine Überempfindlichkeit gegen das verwendete Serumeiweiß vor. Bei anamnestisch bekannter Allergie sind aus Vorsichtsgründen noch höhere Verdünnungen der Fab-Lösung für diese Tests zu verwenden.

Konjunktivaltest

1 Tropfen der für den Intrakutantest vorbereiteten Lösung wird in den Konjunktivalsack gegeben. Treten innerhalb der nächsten 15 Minuten Juckreiz, Tränenfluss, Lidödem und konjunktivale Rötung auf, so ist der Test positiv.

Beide Untersuchungen sind in gleicher Technik und Dosis am anderen Arm und Auge mit steriler isotonischer Natriumchlorid-Lösung als Kontrolle durchzuführen. Im Falle eines positiven Tests ist eine Risikoabwägung für die Anwendung des Präparates erforderlich.

Die Applikation von Digitalis-Antidot muss wegen möglicher Sensibilisierung gegen Schaf-Globuline in den Impfpass eingetragen werden.

Serum-Kalium-Verhalten

Die Serum-Kalium-Konzentration sollte sorgfältig überwacht werden. Bei einer schweren Digitalisintoxikation kann durch die glykosidbedingte Hemmung der Natrium-Kalium-ATPase der Zellmembranen ein massiver, lebensbedrohlicher Serum-Kalium-Anstieg erfolgen. Aufgrund einer gleichzeitigen erhöhten renalen Kalium-Exkretion kann jedoch die Hyperkaliämie mit einem Abfall des Körperbestandes an Kalium einhergehen.

Durch die Neutralisierung der Glykosidwirkung mit Digitalis-Antidot wird die intrazelluläre Kalium-Konzentration wieder erhöht mit einer gleichzeitigen Senkung der Serum-Kalium-Konzentration. Hieraus kann sehr schnell eine Hypokaliämie entstehen. Auf der Basis regelmäßiger Serum-Kalium-Bestimmungen, insbesondere während der ersten Stunde nach Gabe von Digitalis-Antidot, sollten eventuelle Kaliumdefizite vorsichtig korrigiert werden.

Hinweise zur Serum-Glykosid-Bestimmung

Eine Serum-Glykosid-Bestimmung ist Teil der Differentialdiagnose einer Digitalisintoxikation. Verlässliche quantitative Aussagen können aber frühestens 8 Stunden nach der letzten Glykosideinnahme gewonnen werden (bei sehr hoher Glykosidaufnahme oft noch viel später), wenn die Verteilungsphase abgeschlossen ist.

Deshalb geben die zum Zeitpunkt der Verabreichung von Digitalis-Antidot bestimmten Serum-Glykosid-Spiegel meist keinen Hinweis auf die tatsächlich notwendige Menge des Antidots.

Eine Serum-Glykosid-Bestimmung nach Gabe von Digitalis-Antidot ist meistens nur noch mit erheblichem labortechnischem Aufwand möglich:

Der Immunoassay misst die Gesamtkonzentration des Glykosids im Serum unabhängig davon, ob die Glykosidmoleküle frei oder an Serumalbumin gebunden sind. Während der Behandlung mit Digitalis-Antidot werden jedoch die Glykosidmoleküle mit sehr hoher Affinität an die Fab-Fragmente gebunden, so dass die Bestimmung der Glykosidkonzentration mit den üblichen immunologischen Tests gestört ist und falsche Ergebnisse liefert.

Dauer der Haltbarkeit: Digitalis-Antidot ist 4 Jahre haltbar. Die gebrauchsfertige Lösung soll sofort verwendet werden, um die Sterilität zu gewährleisten. Die Aktivität (Bindungskapazität) der Antikörperfragmente bleibt jedoch bei Raumtemperatur mindestens 4 Stunden erhalten.

Besondere Lager- und Aufbewahrungshinweise:

Digitalis-Antidot von +2°C bis +8°C lagern; es kann auch unter 0°C gelagert werden.

Eine kurzfristige Unterbrechung der Kühlung mit Erwärmung auf Raumtemperatur (z. B. für Transportzwecke) beeinflusst die Produktqualität nicht.

Darreichungsform und Packungsgrößen: Digitalis-Antidot: Packung mit 6 Durchstichflaschen, Packung mit 1 Durchstichflasche

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Stand: 21. Oktober 2007

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