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Intox Natronlauge01
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Natronlauge-Vergiftung. (Selbstmord.)

Bericht von J. Erdös, III. Medizinische Universitätsklinik Budapest.

I. G. hatte sich am 26. Februar 1927 mit starker Ätzlauge vergiftet. Nach Magenspülung hatte sie Morphineinspritzung zur Linderung der Schmerzen bekommen, außerdem saure Getränke zur Neutralisation der Lauge.

Vom 28. Februar bis 3. März war ihr Befinde schlecht: Unruhe, manchmal ein wenig blutiger Auswurf, Schluckbeschwerden, Temperatur bis 38°C. Therapie: Morphin und Luminalinjektionen und einmal Chloralhydrateinlauf. Am 3. März entwickelte sich Bronchopneumonie, bis am 6. war ihr Zustand sonst unverändert. Therapie: Morphin, Chinin-Urethan. Den 6. erbrach sie etwa 200 ccm frisches Blut, nachher Gelatine- und Calciveneinspritzung. Die Blutung wiederholte sich nicht, die Temperatur stieg aber bis 39,4°C. Therapie: Wie vorher und physiologische Kochsalzinfusionen. Am nächsten Tag begann die Eintrocknung der Lippen- und Mundhöhlennarben. Die Temperatur stieg wieder über 39°C. Therapie: Unverändert und Tropfklysmen. Am 8. März, in den frühen Vormittagsstunden, entleerte die Kranke beim Erbrechen ein etwa fingerdickes schlauchartiges Gebilde, welches dem Abdruck des Ösophagus entsprach, und aufgeschnitten Konturen mit geronnenem Blute erfüllter Blutgefäße erkennen ließ. Während des Tages öfteres Erbrechen. Therapie: Morphin, Domatrin. Der Zustand war am 9. – 10. unverändert, einige Male blutiger Auswurf, im Stuhle  die Weber-Reaktion stark positiv. Temperatur bis 38°C. Nach reichlichem, blutigen Erbrechen am 11., trat frühmorgens große Druckempfindlichkeit im Epigastrium auf. Vormittags entleerte sie durch den Mund ein Häutchen mit großem Lumen, der Cardia entsprechend, reichlich stinkendfaule Luftbläschen enthaltend. Die Temperatur stieg bis 38,5°C. Therapie: Morphium, Tropfklysmen, hypertonische NaCl-Lösung intravenös. Am folgenden Vormittag, den 12. März, erbrach die Kranke blutige Massen, ihr Puls war klein, Sensorium gestört. Sie erhielt Morphium-, Atropin- und Modiskopeinspritzungen, nachher Coffein- und Cardiazolinjektionen. Dennoch ist der Tod um Mitternacht – nach ständiger, unbeeinflussbarer Verschlechterung des Pulses und der Atmung – eingetreten.

Ich untersuchte chemisch die erbrochenen Membranen, und habe hauptsächlich die anorganischen Bestandteile darin bestimmt. Folgende Tabelle enthält die Resultate:

 

Ösophagus in %

Cardia in %

Trockensubstanz

21,955

21,457

Asche

0,871

0,842

Kieselsalz (SiO2)

0,001

0,001

Eisen

0,006

0,006

Calcium

0,019

0,018

Magnesium

0,007

0,007

Kalium

0,025

0,022

Natrium

0,472

0,498

Chlor

0,149

0,140

Sulfat (SO4)

0,103

0,096

Phosphat (PO4)

0,053

0,041

Gesamt-Schwefel

0,607

0,556

Gesamt-Phosphor

0,509

0,478

Gesamt-Stickstoff

1,003

0,946

Die stark verminderte Menge der Kieselsäure ist erklärlich durch die Bildung von wasserlöslichen Wasserglas. – Der bedeutende Natriumgehalt der untersuchten Organe, 17 Tage nach der Vergiftung ermittelt, weist auf die durch konzentrierte Lauge gestörte Tätigkeit der Zellen, d.h. langsames Eliminieren der Natriumionen hin und bestätigt auch chemisch die Laugenvergiftung.

Zum Schlusse möchte ich noch den Befund der Sektion mitteilen: Intoxicatio cum NaOH. – Mangel der Schleimhaut im Ösophagus und Cardia. – Magenperforation. – Ätzung der Wand des Duodenums (Pars descendens) und Perforation mit Senkung in den retroperitonealen Raum bis zum Caecum. – Parenchymatöse Degeneration in Herz und Leber. – Herzlähmung. – Katarrhale, disseminierte Bronchopneumonie im linken unteren Lungenlappen.

Quelle: Erdös, J.: Natronlauge-Vergiftung. (Selbstmord.) Sammlung von Vergiftungsfällen, A 63, Band 1, S. 139 - 140, 1930.

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Stand: 02. November 2007

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