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Das traurige Ende einer "Geburtstagsfeier" – Fatale Intoxikation mit 4-Methylthioamphetamin Autorin: Magdalene Weise, Institut für Rechtsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Franzosenweg 1, D-06097 Halle. Tel.: (0345) 5571597, Fax: (0345) 557 1587, e-mail: magdalena.weise@medizin.uni-halle.de Kasuistik aus dem Arbeitskreis Klinische Toxikologie Zusammenfassung: Bereits 1998 wurde in Großbritannien über Todesfälle mit einem neuen Designer-Amphetamin berichtet. 4-Methylthioamphetamin (4-MTA), seit Oktober 1998 mit der 12. BtmÄndV dem BtMG unterstellt, stellt einen potenten Serotonin-Releaser dar, der sporadisch in Ecstasy-Tabletten gefunden wurde und im Sommer 2000 den ersten Todesfall in Sachsen-Anhalt in Zusammenhang mit "Ecstasy" verursachte. Eine als Geburtstagsfeier begonnene Fete endete mit dem Tod eines 17-jährigen Mädchens. 1. Einleitung: Designer-Amphetamine, bekannt als Party-Drogen, haben noch immer den Ruf weicher Drogen mit relativ geringem Gesundheitsrisiko und Suchtpotential. Die Substanz 4-Methylthioamphetamin (4-MTA), ein Wirkstoff aus der Klasse der ß-Phenylethylamin-Derivate, ist eine psychoaktive Substanz, die von Zeit zu Zeit in Ecstasy-Pillen aufgefunden wurde und bisher einige Todesopfer gefordert hat. In der Literatur finden sich nur wenige Arbeiten [1,2], die über pharmakologische Studien berichten. Der Wirkungsmechanismus von 4-MTA ist bisher nicht aufgeklärt. Es finden sich keine Angaben zur effektiven therapeutischen Dosis (ED 50) beim Menschen. Für Versuchsratten berechneten X. Huang et al. [1] eine Dosis von ca. 0,2 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Dosierung ist etwa 3 mal niedriger als für MDMA. Ausgehend von den in der Literatur angegebenen wirksamen Dosen der Bezugsverbindung MDMA beim Menschen mit ca. 80 bis 150 mg würde sich theoretisch ein Dosisbereich unterhalb von 80 mg 4-MTA errechnen [3]. Die hauptsächlichen neuropharmakologischen Effekte von 4-MTA sind die Freisetzung von Serotonin, die Inhibition der Wiederaufnahme und die Inhibition der Monoaminoxidase A. Die Wirkung von 4-MTA setzt etwa nach einer Stunde ein und hält 5 bis 7 Stunden an. Konsumenten beschreiben die Wirkung als "sanft". Sie berichten über ein warmes Energiegefühl verbunden mit einem entspannten Zustand. Bei Intoxikationen stehen die "serotoninergen" Wirkungen, wie extreme, bedrohliche Hyperthermie und hypertensive Krisen im Vordergrund. 2. Kasuistik: 4 junge Leute trafen sich im vergangenen Sommer, um gemeinsam Drogen zu konsumieren. Am Vorabend der verhängnisvollen Party wurden Cocain und MDMA konsumiert. Ein 27-jähriger Teilnehmer berichtete den anderen von Pillen, die eine bessere Wirkung hätten als MDMA. Er versprach, diese Pillen zu besorgen und man verabredete sich für den nächsten Abend in der Wohnung der 17-jährigen Stefanie. Ihren Eltern erzählte diese, man wolle eine Geburtstagsparty feiern und erhielt von den Eltern die Erlaubnis, dass die Gäste auch über Nacht bleiben durften. Der junge Mann besorgte daraufhin die Pillen von einem ihm bekannten Dealer und die Party begann gegen 18 Uhr, zunächst zu dritt. Im Verlauf des Abends wurden nach Angaben der Teilnehmer, je 2-5 der Pillen eingenommen. Die 17-jährige Gastgeberin, die 3 Tabletten eingenommen haben soll, klagte bald über Rücken- und Nierenschmerzen und erhielt daraufhin gutgemeinte Ratschläge ihrer Freunde. Diese konnten jedoch den Ernst der Situation nicht erfassen, zumal sie zunehmend berauscht und mit sich selbst beschäftigt waren. Auch die Eltern des jungen Mädchens waren nicht beunruhigt, selbst als das Mädchen gegen 22.00 Uhr wegen ihrer Schmerzen in die Wohnung der Eltern kam, erhielt sie von der Mutter die gewünschte Decke und eine Salbe zum Einreiben. Am nächsten Morgen gegen 7 Uhr bemerkte der 27-jährige, dass Stefanie auf dem Bauch lag, „blau“ angelaufen war und sich „kalt“ anfühlte. Er weckte daraufhin den Freund des Mädchens, schilderte diesem die Situation und verließ daraufhin die Wohnung mit seiner Freundin, da er Angst hatte. Er war bereits vorbestraft und befürchtete nun weitere Strafen. Gegen 10 Uhr wurde die Mutter vom Freund ihrer Tochter gerufen. Sie dreht die auf dem Bauch liegende, leblose Tochter auf den Rücken und begann mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Die Notärztin konnte nur noch den Tod feststellen. Die anderen 3 Partyteilnehmer wurden am Nachmittag von der Polizei aufgesucht und es wurden Blut- und z. T. Urinproben genommen. Das 2. Mädchen musste aufgrund ihres Zustandes in die Klinik eingewiesen werden. 3. Analytik: Anlässlich der Obduktion wurde von der Polizei eine Plastetüte mit weißen, pulverförmigen Anhaftungen übergeben. Die Tüte enthielt ursprünglich ca. 30 weiße Tabletten, ohne Logo. Ein Teil der Tabletten wurde konsumiert, der Rest später weggeworfen. Außerdem erhielten wir Blut- und Urinproben der 3 anderen Personen. Diese Proben wurden am Nachmittag gegen 15 Uhr entnommen. Später erhielten wir noch drei Tabletten, die in der Kleidung des 2. Mädchens, das noch in der Klinik medizinisch betreut werden musste, gefunden wurden. Sie hatte die Einnahme dieser Tabletten vorgetäuscht und sie später wieder ausgespuckt. Bei der Untersuchung der Anhaftungen an der Plastetüte und der Pillen wurde ein Massenspektrum und ein UV-Spektrum gemessen, die zunächst nicht identifiziert werden konnten. Das Handbuch über neue Designerdrogen von Rösner [4] stand uns noch nicht zur Verfügung und wir wandten uns an das LKA Kiel, da Eile geboten war und die Polizei weitere Zwischenfälle mit dieser Art Ecstasy-Pillen befürchtete. Es ergab sich eine gute Übereinstimmung mit den Massenspektren von 4-Methylthioamphetamin, der acetylierten Verbindung und des TFA-Derivates. 4. Ergebnisse Tabletten: Die Pillen hatten eine Masse von 0,25 - 0,3 g. Der in Methanol lösliche Anteil betrug 57 %. Da analytisch in der Lösung außer 4-Methylthioamphetamin keine anderen Bestandteile feststellbar waren, wurde in Ermanglung eines anderen Analysenstandards in erster Näherung davon ausgegangen, dass der Gehalt der Tabletten an diesem Wirkstoff 57 % betrug. Blut- und Urinproben: Die bei den 4 untersuchten Personen festgestellten Konzentrationen und die jeweiligen Bedingungen sind in Tabelle 2 und den zugehörigen Fußnoten zusammengefasst.Tabelle 2: Ergebnisse der Blut- u. Urinuntersuchung (Konzentration in mg/L)
5. Diskussion: Die Wirkung von 4-Methylthioamphetamin setzt nach oraler Aufnahme gegenüber MDMA später ein, außerdem wird die Wirkung als milder und „alkoholähnlich“ empfunden. Da die Konsumenten meinen, zu wenig, oder „schlechtes“ MDMA geschluckt zu haben, werden noch mehr Pillen geschluckt und es kommt zu einer Intoxikation, die aufgrund der starken Überhitzung des Körpers zu schweren Komplikationen führt. In der Literatur sind verschiedentlich Todesfälle beschrieben worden [5,6], wobei oft auch eine Kombination mit weiteren Drogen vorlag. Der 27 jährige Dealer hatte bereits Erfahrung mit 4-MTA, das er bereits eine Woche vor dem Vorfall erstmalig eingenommen hatte, und dessen Wirkung er als sehr angenehm beschrieb. Er wusste von dem zeitlich verzögerten Wirkungseintritt und berichtete den anderen auch davon. Angeblich achtete er darauf, dass die Mädchen nicht zu viel einnahmen. Im Verlauf des Abend waren die Gäste jedoch nicht mehr in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen und Hilfe zu holen. Auch die Eltern reagierten nicht adäquat. Angeblich wussten sie nichts vom Drogenkonsum ihrer Tochter. Der Angeklagte 27jährige erklärte vor Gericht sein Bedauern über den tragischen Ausgang der Party, den er trotz seiner Erfahrung mit 4-MTA nicht für möglich gehalten hätte. Seine Aussagen und die der Zeugen zum tatsächlichen Drogenkonsum sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass das Opfer aufgrund von Erfahrung mit fast allen gängigen Drogen, zu schnell weitere 1 –2 Pillen einnahm. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten unter Einbeziehung der Bewährungsstrafen zu 3,5 Jahren Gefängnis, ohne Bewährung. Literatur:
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