|
Eine Wasserschierlings-Vergiftung (Cicuta virosa). Von H. Czursiedel Nach Genuss einer vor 4 Tagen bereiteten Fleischbrühe erkrankten 6 Mitglieder einer Familie unter schwersten Vergiftungserscheinungen. Der Fleischbrühe wurde Mehl und „Wurzelwerk“ kurz vor dem Genuss zugesetzt. Die Brühe schmeckte sehr scharf, was auf das zur Herstellung verwendete Pökelfleisch zurückgeführt wurde. Ein Familienmitglied kam kurze Zeit später mit seinem Rad auf der Landstraße zu Fall, sein Verhalten beim Fahren erweckte bei Passanten den Eindruck einer Trunkenheit. Er wurde bewusstlos aufgefunden, wenige Minuten später stellten sich bei ihm jedoch schwere epileptiforme Krämpfe ein, die nach einer kurzen Pause, in der der „Verunglückte“ wieder zu sich kam, erneut einsetzten. Der sofort gerufene Arzt fand den Mann wieder im bewusstlosen Zustand vor. Nach kurzer Zeit ist der Tod eingetreten. Der Arzt, der jetzt auch zu den Familienangehörigen gerufen wird, findet die Mutter und einen Bruder, die ebenfalls wie der Verstorbene in ziemlich reichlicher Menge Fleischbrühe zu sich genommen hatten, in einem Zustand krampfartiger Zuckungen auf. Nach sofortiger Überführung ins Krankenhaus, wo Magenspülungen vorgenommen werden, bessert sich deren Befinden, sie wurden nach zwei Tagen wieder entlassen. Bei dem Vater und einem zweitem Bruder hatte sich nach dem Genuss der Brühe lediglich ein eigenartiger Mattigkeitszustand ohne Brechreiz eingestellt, der nach mehreren Stunden wieder geschwunden war. Bei der Sektion des Verstorbenen ergab sich keine bestimmte Todesursache, es bestanden blaurote Totenflecke, Zungenbissverletzungen waren nicht festzustellen, im Magen fanden sich 100 cm³ feste Speisemassen vor, die Magenschleimhaut wies keine Veränderung auf. Der vom Arzt ausgesprochene Vergiftungsverdacht wurde bestätigt und eine Schierlingsvergiftung vermutet, da sich nach den Angaben der Angehörigen bei den bei der Zubereitung der Fleischbrühe verwendeten Wurzeln auch solche, die eine „Durchlöcherung“ aufwiesen, befunden haben sollen. Diese Angaben wurden bei der Untersuchung des noch vorhandenen und polizeilich sichergestellten Wurzelwerkes bestätigt; neben Zwiebeln, Porree und Sellerie fanden sich die in ihrer morphologischen Beschaffenheit typischen Wurzeln des Wasserschierlings vor. Wegen der außerordentlichen Flüchtigkeit des Cicutoxins, dem Gift des Wasserschierlings, ist von einer chemischen Untersuchung der Leichenteile auf dieses Gift Abstand genommen worden. Im Mageninhalt fanden sich mehrere linsengroße, würfelförmige Pflanzenteile vor. Die morphologische Untersuchung war jedoch zunächst schwierig, da eine weitgehendste Ähnlichkeit zwischen der Wurzel der Sellerie und des Wasserschierlings besteht. Kontrolluntersuchungen ergaben jedoch – und zwar als einzigen Unterschied – beim Wasserschierling das Vorhandensein von wahllos angeordneten Zellen mit auffallend großem Kern im Gegensatz zu den bei der Selleriewurzel erkennbaren kleinen Zellkernen. Bei der Untersuchung der fraglichen Teile im Mageninhalt wurde dieser Unterschied bei der mikroskopischen Untersuchung ebenfalls eindeutig festgestellt. An dem Bestehen einer Wasserschierlingsvergiftung konnten somit keine Zweifel bestehen. Ausführlicher Bericht: Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin. Bd. 28, S. 262 - 264 Referent: Wagner, Berlin Quelle: Czursiedel, H.: Eine Wasserschierlings-Vergiftung (Cicuta virosa). Sammlung von Vergiftungsfällen, A 699, S. 171 - 172, 8. Band, 1937 |
Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an:
|