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Eine seltene Vergiftung mit den Fruechten des Spindelbaumes (Pfaffenhuetchen) Zwei Brüder im Alter von zwei und vier Jahren hatten am Nachmittag des vorangegangenen Tages eine unbekannte Anzahl Früchte des Spindelbaums gegessen. Die wirksame Substanz dieser Früchte ist das Glykosid Evonymin, das eine digitalisartige Wirkung hat und außerdem das Triazetin, das nach Geßner toxisch und enteral wirken soll. In der folgenden Nacht traten bei den Kindern gegen 3.30 die ersten Krankheitserscheinungen auf: heftige Koliken, schleimig wässerige Diarrhöen und später Erbrechen. Die Kinder wurden zunehmend benommen, blieben aber ansprechbar. Bei der Einlieferung hatte der Vierjährige 39,5° Fieber. Die Zunge war trocken und belegt. Die mittelweiten Pupillen reagierten träge auf Licht und Konvergenz. Die Herztöne waren rein und ziemlich leise. Vereinzelte Extrasystolen. RR: 110/70; Puls: 150 Schläge/Min. Blutbild: Hgb. 60 n. S. 4,3 Mill. Erythrozyten, 7400 Leukozyten. Der Ausstrich zeigte eine Linksverschiebung und toxische Granulierung der Neutrophilen. Die Blutkörperchensenkung war beschleunigt. Im Urin war Aceton positiv. Die Stühle waren wasserreich, schleimig; das Erbrochene klar. Behandlung: Magenspülung, Karlsbader Salz, Rizinus, laufend Adsorgan, Kampfer, Koffein und Luminal. Verlauf: Das Erbrechen hörte abends auf. Der Junge hatte starken Durst. Es trat eine fortlaufende Besserung auf. Zwei Tage später war die Leber 2 Querfinger unter dem Rippenbogen zu fühlen, druckempfindlich und über allen Ostien war ein systolisches Geräusch zu hören. Im Urin waren einzelne weiße und rote Blutkörperchen. Nach fünf Tagen war das Hgb. Wieder auf 82 % gestiegen. Im Blutbild waren die Eos. Auf 10 % erhöht. Die toxische Granulierung war verschwunden. Der Puls hatte 80 Schläge. Stuhl und Urin waren normal. Am elften Tag war die Leberschwellung zurückgebildet. Der Blutdruck betrug 90/70. Das Kind wurde entlassen. Bei einer Nachuntersuchung nach einem Monat war das Herz auch o.B. Bei dem 2jährigen Bruder deckte sich der objektive Befund mit dem seines Bruders. Er hatte hohes Fieber, frequenten Puls, erhöhten Blutdruck sowie starke schleimige Stühle ohne Blutbeimengung. Erbrechen trat nicht auf. Das Kind klagte aber über großen Durst. De Leber war 2½ Querfinger unter dem Rippenbogen tastbar, nicht druckempfindlich. Das Blutbild zeigte 70 % Hgb. N. S., 5,06 Mill. Erythrozyten, 7000 Leukozyten. Im Blutausstrich fanden sich 21 % Stabkernige, 2 % Jugendliche, 37 % Segmentkernige, 38 % Lymphozyten und 2 % Monozyten sowie eine toxische Granulierung der Neutrophilen. Blutkörperchensenkung (Westergreen) 25/45. Verlauf: Eine Stunde nach der Aufnahme wurden tonisch-klonische Krämpfe am ganzen Körper beobachtet. Die Zähne waren fest aufeinander gebissen, die Pupillen reaktionslos. Bewusstlosigkeit. Nach Gabe von 1 g Chloralhydrat sistierten die Krämpfe nach 2 Minuten. Zyanose wurde bei den Krämpfen nicht beobachtet, wohl aber an den unteren Extremitäten bläulich-rote großflächige Flecken, die nach einigen Minuten verschwanden. Die Stühle besserten sich langsam nach einer Woche. Herzkomplikationen traten nicht auf. Die Leberschwellung war am 11. Tage verschwunden. Im Urin wurden wie beim Bruder nach einigen Tagen Leukozyten und Erythrozyten festgestellt. Im Blutbild zeigte sich eine Abnahme der Linksverschiebung und ein Anstieg der Eos. Auf 10 % Die toxische Granulierung blieb nach ihrem Entlassungstag bestehen. Das Kind wurde mit seinem Bruder zusammen am gleichen Tage entlassen. Ausführlicher Bericht in der Münch. Med. Wochenschrift. 1941, Nr. 37, S. 1011 - 1012 Quelle: Hermkes, L.: Eine seltene Vergiftung mit den Früchten des Spindelbaumes (Pfaffenhütchen), Sammlung von Vergiftungsfällen, Band 12 (1941/43), S. 133 - 134 |
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