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Trachinus draco Stich02
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Petermaennchenstich-Vergiftung.

Bericht von Franz Kazda, Allgemeine Poliklinik (Chir. Abt.), Wien.

Verletzungen durch den Stich des Petermännchens (Trachinus draco) sind nicht gerade selten; aber die Gangrän eines ganzen Gliedabschnittes, wie sie in nachstehend beschriebenem Falle beobachtet wurde, scheint zu den größten Seltenheiten zu gehören.

Herr F. M., 51 Jahre alt, verbrachte den Sommer an der Adria unweit Triest. Als leidenschaftlicher Fischer zog er eines Tages mit der Stockangel einen etwa 20 cm langen Fisch ins Boot, den er nicht kannte. Als er im Begriffe war, das Tier von der Angel zu nehmen, stellte dieses die Rückenflosse auf und stach mit dem ersten Stachel seitlich über dem Endgelenk in den linken vierten Finger. Es stellte sich augenblicklich heftigster, geradezu unerträglicher Schmerz ein, der 4 Stunden anhielt. Der kräftige Mann zitterte am ganzen Körper und war in Schweiß gebadet. Das Endglied des vierten Fingers war sofort von der Einstichstelle an peripheriewärts blau und trotz der subjektiven Schmerzen bei Berührung gefühllos.

In dem nächsten größeren Orte machte ein Arzt an der Einstichstelle eine kleine Inzision, ohne dass sich an dem Zustand des Fingers etwas änderte. Die Hand und der Unterarm bis zu seiner Mitte begannen mäßig anzuschwellen, eine nicht unbeträchtliche Schmerzhaftigkeit blieb bestehen. Fieber und sonstige Allgemeinerscheinungen machten sich nicht geltend.

Inzwischen war der Fisch als Petermännchen identifiziert worden.

Am 4. Tage nach der Verletzung kam M. in die Chirurgische Poliklinik nach Wien. Das Endglied des verletzten Fingers erschien livid, die Epidermis war abgehoben. Nach ihrer Abtragung trat ein bläulichrot verfärbtes Corium im Bereiche des ganzen Endgliedes zutage. Der Handrücken war leicht geschwollen, Bewegungen des Fingers waren schmerzhaft, Hyperämisierende Maßnahmen blieben ohne Erfolg, in wenigen Tagen entwickelte sich eine trockene Gangrän des Endgliedes. Das Blutbild ergab vollkommen normale Verhältnisse. Im Harn war kein Eiweiß nachweisbar. Nach 4 Wochen war das Endglied völlig demarkiert. Es erfolgte alsdann Abtragung in der Dermakationslinie, Naht, Heilung per primam.

In der Reihe der Stachelflosser gibt es einige giftige Spezies. Von diesen hält sich das Petermännchen am Meeresgrunde in mäßiger Tiefe im Sand vergraben und lebt vom Raub. Es trägt drei Giftstachel, je einen an den Kiemendeckeln und einen dritten an der Rückenflosse, die errigiert werden können und durch eine Rinne das aus einer unter dem Stachel gelegenen Drüse stammende Gift entleeren. Die Verletzungen sind von den Fischern wegen ihrer Schmerzhaftigkeit sehr gefürchtet. Das Fleisch des Petermännchens ist übrigens genießbar und sogar recht schmackhaft. Die Zahl der auf den Markt kommenden Tiere ist allerdings nicht sehr groß. Infolge marktpolizeilicher Anordnung wird den Tieren vorher die Rückenflosse entfernt, was z.B. in Frankreich ein altes Landesgesetz anordnet.

Vom Petermännchen sollen in europäischen Meeren vier Arten vorkommen. Das in den Hautdrüsen vorhandene Gift ist eingehend untersucht. Je nach der Art der Entleerung enthält es mehr oder weniger Eiweiß, körnige und zellige Bestandteile. Die Reaktion ist meistens neutral oder schwach sauer.

Die Symptome können lokaler oder resorptiver Art sein. Sie verlaufen im wesentlichen wie in unserem Fall geschildert. Durch Infektion können Zellengewebseiterungen mit Geschwürsbildung und ausgedehnten Venenentzündungen entstehen. Enorme Schwellungen werden nicht selten beobachtet. Von resorptiven Erscheinungen stehen Störungen der Atmung im Vordergrund; diese ist oft erschwert. Der Puls ist klein und unregelmäßig, dazu können Angstgefühle, Herzbeklemmung, Erregungserscheinungen, Krämpfe, Delirien oder auch Lähmungserscheinungen auftreten, die in Kollaps übergehen können, endlich Tod. Mitunter stehen auch weniger lebensbedrohende Zustände im Vordergrund, wie Fieber, Kopfschmerzen und sonstige subjektive Beschwerden.

Im Tierversuch erweist sich das Trachinusgift von kurareartiger Wirkung, während das Herz ähnlich wie von Digitalis beeinflusst wird.

Die Wirksamkeit des Giftes, das durch Erhitzen, Alkohol, Äther und Chloroform an Giftigkeit verliert, scheint nicht in allen Jahreszeiten und auch nicht in allen Gegenden die gleich zu sein.

(Ausführlicher Bericht in Arch. f. klin. Chir. 1931, Bd.  116, S. 546.)

Referent: C. Bachem (Bonn).

Quelle: Bachem, C.: Petermännchenstich-Vergiftung. Sammlung von Vergiftungsfällen, Band 3, A 245, S. 165 - 166, 1932

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Stand: 26. Dezember 2009

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