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Intox Petroleum03
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Gasolin (Petrolaether)- und Kerosin (Petroleum)-Vergiftungen bei Kindern.

Bericht von J.A. Nunn und F. M. Martin, San Antonio, Texas.

Im folgenden sind die Ergebnisse der klinischen und im Laboratorium durchgeführten Untersuchungen von sieben Fällen von Gasolin-Vergiftung und 65 Fällen von Kerosin-Vergiftung an Kindern zusammengestellt, die in der Zeit von Oktober 1931 bis Juli 1933 im Robert B. Green Memorial Hospital eingeliefert wurden. Die Kinder waren 10 Monate bis 4 Jahre alt. Sie wurden meist mit dem Bericht eingeliefert, dass sie eines dieser Erdöldestillationsprodukte geschluckt hätten. Nur diejenigen, die Zeichen einer akuten Vergiftung aufwiesen, wurden ins Hospital aufgenommen, alle anderen, die nur geringe Vergiftungserscheinungen zeigten, wurden nach Magenspülung und Verabreichung eines Laxativums nach Hause zurückgeschickt. Die typischen Fälle werden kurz dargestellt.

Fall 1. Ein 14 Monate alter Mexikanerknabe wurde stupurös eingeliefert. Er hatte 40 Minuten vorher eine geringe Menge Gasolin verschluckt. Atmung 40 / Minute, Puls 140, Temperatur 37°C. Über beiden Lungen mittel- und feinblasige Rasselgeräusche. Magenspülung, Coffein- und Atropinhypodermoklysmen. Tod eine Stunde nach der Einlieferung. Sektionsbefund: Lungenödem, Alveolen mit Fibrin und serösem Exsudat gefüllt. Fettige Degeneration der Leber. Erweiterung des Magens. Der Mageninhalt roch stark nach Gasolin.

Fall 2. Ein 17 Monate alter weißer Knabe hatte wenige Minuten vor der Einlieferung 30 cm³ Kerosin getrunken. Ihm war sofort schlecht geworden; er war stuporös; Puls 140, Temperatur normal, Atmung 32 / Minute. Über beiden Lungen grobblasige feuchte Rasselgeräusche. Magenspülung, Atropin und Coffein als Hypodermoklysmen, Gesättigte Magnesiumsulfatlösung durch die Schlundsonde. 2 Stunden nach der Einlieferung Temperatur 41°C. Eine Stunde später Temperatur unverändert, Respiration 56, Puls zur Zählung zu schnell, kurze Zeit später Exitus.

Fall 3. 2jähriger Mexikanerknabe trank 30 Minuten vor der Einlieferung 60 cm³ Kerosin; Patient stupurös, Abdomen gebläht. Lungen o. B. Temperatur 37,8°C, Puls 128, Atmung 50 / Minute. Während der Magenwaschung aspirierte das Kind etwas Mageninhalt, kurz danach feuchte Rasselgeräusche über beiden Lungen. Das Kind wurde unruhig. 11 Stunden nach der Einlieferung Krämpfe, die bis zum 2 Stunden später eintretenden Exitus bestehen blieben.

Fall 4. Ein weißer, 11 Monate alter Knabe trank eine unbekannte Menge Gasolin, 30 Minuten vor der Einlieferung. Bei der Einlieferung war er cyanotisch und komatös. Pupillen erweitert, Augen nach oben verdreht. Temperatur 37°C, Puls 150, Atmung 40 / Minute. Vor der Einlieferung hatte das Kind erbrochen. Einige feuchte Rasselgeräusche über beiden Lungen. Behandlung wie oben. Das Kind starb eine Stunde nach der Einlieferung.

Fall 5. Ein einjähriger Junge trank unmittelbar vor der Einlieferung eine unbekannte Menge Kerosin, machte aber keinen sehr leidenden Eindruck. Temperatur 38°C, Puls und Atmung normal. Untersuchungsbefund negativ. Urin o. B. Leukozyten 11.000 (70 % Neutrophile, 30 % Lymphozyten). 2 Tage nach der Einlieferung Schnupfen. Feuchte Rasselgeräusche  über beiden Lungen, die wie wir glauben, mehr auf interkurrente Infektion als auf unmittelbare Wirkung des Kerosins zurückzuführen sind. Temperatur 38°C, vom 4. Tage an normal, die Rasselgeräusche verschwanden, der Knabe wurde am 5. Tage geheilt entlassen. Behandlung: Magenspülung bei der Einlieferung.

Fall 6. 15 Monate altes Mexikanermädchen trank eine Vierteltasse Kerosin 4½ Stunden vor der Einlieferung. Die Mutter gab dem Kind unmittelbar danach Ricinusöl. Mittelblasige, feuchte Rasselgeräusche über der linken Lungenspitze. Bauch gespannt. Temperatur 38°, Puls 110, Atmung 30 / Minute. Auf eine Magenwaschung wurde verzichtet, Atropinsulfat per os. 12.000 Leukozyten (72 % Neutrophile, 28 % Lymphozyten). Urin o. B. Am 3. Tag Entlassung.

Fall 7. 16 Monate altes Mexikanermädchen hatte 3 Stunden vor der Einlieferung eine unbekannte Menge Kerosin getrunken. Sie hatte unmittelbar nach dem Verschlucken einen Teil des Kerosins ausgebrochen. Bei der Einlieferung war sie komatös und cyanotisch, Atmung erhöht; Temperatur bei der Einlieferung 38°, sie stieg bis 40° innerhalb 2 Stunden und blieb für die nächsten 12 Stunden auf dieser Höhe. Feuchte Rasselgeräusche über beiden Lungen. 9.560 Leukozyten (80 % Neutrophile, 20 % Lymphozyten). Im Urin Spuren von Eiweiß. Atmung 40 – 56 / Minute. 16 Stunden nach der Vergiftung Atmung 30, gleichzeitig Temperatur normal. Behandlung wie in den ersten Fällen, Entlassung am 3. Tage.

Fall 8. Ein 2jähriges Mexikanermädchen wurde 1½ Stunden, nachdem sie ein halbes Glas Gasolin getrunken hatte, eingeliefert. Die Mutter hatte dem Kind unmittelbar nach dem Trinken 30 cm³ Olivenöl gegeben. Bei der Aufnahme war sie halb komatös und cyanotisch und erschien gefährdet. Atmung 50, Puls 120, Temperatur 37,5°. Über beiden Lungen feinblasige feuchte Rasselgeräusche. Neben Magenspülung Coffein und Atropin, von außen Wärme. Ein Gemisch von 5 proz. Kohlensäure und 95 % Sauerstoff wurde durch Maske verabfolgt, gleichzeitig 11 Stunden künstliche Atmung. Während der Zeit stieg die Temperatur auf 41°. Die Patientin wurde immer cyanotischer, der komatöse Zustand verschlechterte sich. Bald danach begann die Temperatur zu sinken und 12 Stunden später war sie normal. Das Kind war wieder bei sich. 20 Stunden nach der Einlieferung hatte sich der Zustand gebessert, nach 48 Stunden wurde das Kind entlassen.

Die Mortalität der 72 Fälle betrug 11 %. Bei den Petroleum-Vergiftungen betrug sie 9,2 %, bei der relativ geringen Anzahl der Gasolinfälle (7) 28 %. In den tödlich verlaufenden Fällen lebten die Kinder 2 – 18 Stunden nach der Einnahme des Giftes. Bei allen Kindern, die starben, standen die Lungenveränderungen im Vordergrund: feuchte Rasselgeräusche, schnelle, oberflächliche Atmung und Cyanose. Krämpfe wurden in zwei der tödlich verlaufenden und zwei der in Heilung ausgehenden Fälle beobachtet. Von den relativ harmlos verlaufenden Fällen (22) verliefen 32 % unter den Zeichen der Pneumonie. Die Temperaturen schwankten zwischen 36,5 – 39,5° und erreichten in den ernsteren Fällen 41°. Bei den in Heilung ausgehenden Fällen betrug der Puls 110 – 150, in vielen der tödlich verlaufenden Fälle war er überhaupt nicht mehr zu zählen. Die Leukozytenzahlen im Blut waren z.T. normal, in einigen Fällen stiegen sie bis zu 21.000. Sonst waren die Blutbilder völlig normal. Der Urin war meist sauer und zeigte in 10 von 72 Fällen Spuren von Eiweiß. Bei den Fällen, wo Kohlenöle oder Gasolin per os aufgenommen werden, ist die toxische Wirkung geringer als nach Aspiration  oder Einatmung dieser Kohlenwasserstoffe. Die Vergiftungssymptome, die wir bei unseren Patienten beobachteten, die diese Kohlenwasserstoffe tranken, waren: Unruhe, Koordinationsstörungen, Cyanose, Erbrechen, keine Zeichen von Pneumonie. Die Kinder ließen häufig Stuhl unter sich. Die ersten Symptome waren von einer Periode verschlechterten Befindens gefolgt, die einige Stunden bestand; danach waren die Patienten aber offensichtlich außer Gefahr. Die Patienten, die neben der Aufnahme per os diese Erdöldestillationsprodukte auch noch aspirierten, boten ein wesentlich ernsteres klinisches Bild. Die Pneumonie entwickelte sich sehr rasch und in allen ernsten Fällen fanden wir die physikalischen einer Lungenentzündung. Wir nehmen an, dass die Pneumonie in derartigen Fällen durch die spezifischen Eigenschaften dieser Kohlenwasserstoffe bedingt ist. Das Nervensystem war stets alteriert, Die rasche Entwicklung des bedrohlichen Zustandes dürfte durch die schnelle Absorption der flüchtigen Fraktion der Kohlenwasserstoffe durch die Lungen bedingt sein. Die giftigen Fraktionen dieser Öle erreichen die Zentren des Zentralnervensystems viel schneller und in viel höheren Konzentrationen, wenn sie durch die Lunge absorbiert werden. Die Absorption vom Magen-Darmkanal aus ist wesentlich langsamer. Außerdem dürfte die Entgiftung durch die Leber noch eine Rolle spielen. Vor allem wird das motorische Atemzentrum und Vaguszentrum durch Gasolin und Kerosin betroffen. Das Sauerstoffbindungsvermögen des Blutes erleidet offenbar keine Einbuße. Waring konnte kein Methämoglobin im Blute nachweisen. Er konnte in Tierexperimenten (Hund) zeigen, dass bei Verabfolgung von 100 cm³ Kerosin durch die Schlundsohle nur sehr geringe Vergiftungserscheinungen auftraten, während nach Injektion von nur 10 cm³ in die Trachea der Tod nach 6 – 8 Stunden eintrat. Die Prognose ist direkt abhängig von der Menge der Kohlenwasserstoffe, die in die Lunge eindringen. Überlebt der Patient die ersten Stunden, so ist mit seiner völligen Wiederherstellung zu rechnen.

Literatur:

  • Waring, J.E.: Pneumonia in Kerosene Poisoning. Am. J. M. So. 185, 325, März 1933

Ausführlicher Bericht in: J. A. M. A. 103, Nr. 7, 1934

Referent: Taeger, Berlin

Quelle: Nunn, J.A.; Martin, F. M.: Gasolin (Petroläther)- und Kerosin (Petroleum)-Vergiftungen bei Kindern. Sammlung von Vergiftungsfällen, Band 5, A 459, S. 183 - 186, 1934

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Stand: 02. November 2007

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