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Filixextrakt-Vergiftung. Psychose im Anschluss an eine Bandwurmkur. Bericht von A. Westphal, Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt und Psychiatrische Klinik der Universität Bonn. Am 7. Dezember 1926 wurde der 32jährige Techniker T. in die Prov.-Heilanstalt aufgenommen. Derselbe ist erblich nicht belastet, früher stets gesund gewesen. In letzter Zeit durch außerordentlich anstrengende Berufsarbeit zunehmend nervös, überreizt und erschöpft. Seit November Kriebeln und Taubheitsgefühl in den Fingerspitzen. Abgang von Bandwurmgliedern. Am 4. Dezember Bandwurmabtreibungskur mit acht Kapseln Extr. flicis maris und sieben Kapseln Rizinusöl. (Helfenberger Bandwurmmittel.) Am Abend desselben Tages heftige Kopfschmerzen, Übelkeit und starkes Schwindelgefühl. Vorübergehend dabei Sehstörungen. An diesen Zustand schließt sich eine Psychose an, eingeleitet durch eine manisch gefärbte Phase, die einer immer mehr zunehmenden Inkohärenz des Gedankenganges Platz macht, mit zahlreichen psychomotorischen „katatonen“ Symptomen. Sinnestäuschungen treten in dem durch zwei epileptische Anfälle eingeleiteten Krankheitsbilde in den Hintergrund. Dasselbe wird beherrscht von einer Bewusstseinstrübung wechselnden Grades, unterbrochen durch kurze freiere Zeiten mit einer gewissen Krankheitseinsicht. Nach etwa 4 wöchentlicher Krankheitsdauer allmähliche Aufhellung des Bewusstseins, Nachlassen der Inkohärenz, schnelle Genesung mit erheblicher Gewichtszunahme. Keine Erinnerung für die Zeit des Verwirrtheitszustandes. Es handelt sich in dem vorliegenden Falle um eine symptomatische, den exogenen Reaktionstypen Bonhöffers entsprechende Psychose vom Typus der „katatonen“ Form der Amentia. Unter den ätiologischen Faktoren stehen toxische auf die Darreichung des Extr. filicis maris zurückzuführende Schädlichkeiten im Vordergrund, worauf die Initialsymptome, in erster Linie die Sehstörungen und die epileptischen Anfälle, Erscheinungen, wie sie wiederholt bei dieser Vergiftung beobachtet wurden, hinweisen. Was den beim Krankheitsbeginn zweifellos bestehenden hochgradigen Erschöpfungszustand betrifft, ist die Annahme gerechtfertigt, dass durch diesen eine verminderte Widerstandsfähigkeit des Gehirns toxischen Einflüssen gegenüber geschaffen war, zumal von uns nachträglich festgestellt werden konnte, dass Patient bei einer vor 5 Jahren bei gutem Kräftezustand, mit denselben medikamentösen Dosen wie diesmal durchgeführten Bandwurmkur, keinerlei Schädigungen erlitten hat, so dass von einer „Idiosynkrasie“ gegen das Mittel wohl nicht gesprochen werden kann. Unser Fall mahnt deshalb zur Vorsicht in der Anwendung des Extr. filicis maris bei geistig oder körperlich erschöpften Personen, auch wenn keine endogene Veranlagung zu Psychosen nachweisbar ist. (Ausführliche Mitteilung in Klinische Wochenschrift 1927, 6. Jahrg., Nr. 25, S. 1190.) Quelle: Westphal, A.: Filixextrakt-Vergiftung. Psychose im Anschluss an eine Bandwurmkur. Sammlung von Vergiftungsfällen, Band 1, A 31, S. 71 - 72, 1930 |
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