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Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva (Psychopharmaka) Vergiftung
mit trizyklischen Antidepressiva stellen die zweithäufigste Intoxikation bei
Erwachsenen in suizidaler Absicht dar. Bereits das zehnfache der therapeutischen
Dosis kann eine vital bedrohliche Intoxikation mit kardiotoxischen Effekte
auslösen.
Substanzen:
Toxikokinetik:
Die Medikamente werden schnell und fast vollständig resorbiert aus dem
Magen-Darm-Trakt. Sie unterliegen einem enterohepatischen Kreislauf. Oft sind
die Metaboliten viel länger wirksam als die eigentliche Mittersubstanz. Sie
wirken, indem sie die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Noradrenalin, Dopamin
und Serotonin verhindern.
Wirkungsverstärkungen werden durch Alkohol, Opiaten, Narkotika, Hypnotika,
Sympathomimetika, Klasse I-Antiarrhythmika, Antihistaminika, Phenothiazine,
MAO-Hemmstoffe und Neuroleptika ausgelöst. Vor allem
Kinder zeigen schwere Intoxikationen, auch bei gering aufgenommenen Mengen.
Prinzipiell gilt das zehnfache der therapeutischen Dosis als vital bedrohlich.
Symptomatik:
Vergiftungen werden in leichte bis mittelschwere und in schwere Vergiftungen
differenziert.
Leichte bis mittelschwere Vergiftung:
Die Patienten sind somnolent und zeigen eine ausgeprägte anticholinerge
Symptomatik. Diese besteht aus einer Sinustachykardie, einer Trockenheit des
Mundes, Verstopfung, Sprachstörungen, Hyperkinese, Zittern, Störungen der
Reflexe, Erregung und Halluzinationen.
Schwere Vergiftungen:
Hier kommt es sehr schnell zu Koma und generalisierten tonisch-klonischen
Krampfanfällen. Vor allem die kardiotoxischen Effekte machen Vergiftungen mit
diesen Medikamenten so gefährlich. Die EKG-Varietäten sind sehr verschieden. Es
können ventrikuläre Tachykardien, Störungen der Erregungsbildung und
Reizleitungen (z.B. QRS-Verbreiterungen, QT-Verlängerungen) erkennbar sein.
Torsades de pointes sind selten. Bei einem hohen Plasmaspiegel tritt eine
Atemdepression auf, die nicht durch eine Zyanose gekennzeichnet sein muss. Es
kommt zu einem ARDS, einer metabolischen Azidose und teilweise sogar zu einem
kardiogenen Schock. Eine Hyperthermie ist prognostisch ungünstig. Bei
Amitriptylin tritt zuerst das Koma, dann kardiotoxische Symptome, dann Krämpfe
und zum Schluss die Atemdepression ein. Bei Maprotilin kommen erst die Krämpfe,
dann das Koma und letztlich die kardiotoxischen Symptome.
Maßnahmen:
Dem bewusstseinsklaren Patienten wird sofort
medizinische Kohle in einer Dosierung von 1 g/kgKG zu verabreichen.
Bewusstlose Patienten sind zu intubieren. Anschließend sollte eine Magensonde
gelegt werden, über die dann die medizinische Kohle zu applizieren ist. Bei
bewusstlosen Patienten und bei Patienten mit einer kardialen Symptomatik ist
auch präklinisch das spezifische Antidot Physostigminsalizylat (Anticholium®)
einzusetzen. Die Dosierung liegt bei 0,03 - 0,04 mg Physostigmin/kgKG. Das
Präparat ist langsam, mindestens in 2 Minuten unter Monitorkontrolle zu
injizieren. Die Nebenwirkungen (Nausea, Emesis, Hypersalivation,
tonisch-klonischer generalisierter Krampfanfall und Bradykardie) treten vor
allem bei Überdosierungen oder zu schnellen Injektionen auf. Diese
Nebenwirkungen können mit 1 mg Atropin i.v. behoben werden. Bei Fortbestehen der
Symptomatik Wiederholung der Dosis nach 30 - 40 Minuten, eventuell per Infusion
(in 50 ml physiologischer Kochsalzlösung). Physostigmin kann Blut-Hirn-Schranke
überwinden und im ZNS seine Wirkung entfalten. Krämpfe,
die durch die Intoxikation mit trizyklischen Antidepressiva ausgelöst werden
können durch die Gabe von Midazolam oder
Diazepam bekämpft werden. Manchmal
können die Rhythmusstörungen durch eine Hyperventilation bekämpft werden.
Klinisch versucht man im arteriellen Blut einen pH-Wert von 7,5 zu erreichen.
Medikamentös werden die Arrhythmien durch die Gabe von
Lidocain beherrscht. Eine
Dialyse und eine forcierte Diurese ist nicht sinnvoll, da das Verteilungsvolumen
zu hoch ist. Prinzipiell sind die vitalen Funktionen engmaschig zu
kontrollieren. Ein Monitoring und die Gabe von Sauerstoff ist obligat. Alle
weiteren Maßnahmen erfolgen symptomatisch. Alle Medikamentenwirkungen dieser Stoffgruppe werden durch Alkohol stark verstärkt. Vergiftung dieser Art stellen die zweithäufigste Intoxikation bei Erwachsenen in suizidaler Absicht dar. |
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