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Paracetamol

Paracetamol ist ein bekanntes Mittel bei leichten bis mittelstarken Schmerzen und Fieber, dabei ist die therapeutische Breite des Medikamentes sehr gering.

Vor drei Jahren machte ein Fall in den Medien Schlagzeilen. Eine Mutter gab ihrer fünfjährigen Tochter nach einer Mandeloperation alle zwei bis drei Stunden ein 500 mg Paracetamol-Zäpfchen auf ärztliche Anweisung. Das Kind verstarb in der zweiten Nacht nach der Operation an einem Leberversagen.

       

Paracetamol ist ein wirksames und sehr häufig rezeptfrei verkauftes Analgetikum. Nur Kombinationspräparate mit Azetylsalizylsäure und / oder Codein unterliegen zum Teil der Verschreibungspflicht. In England hat das britische Gesundheitsministerium zum September 1998 angeordnet, dass nur noch Packungseinheiten mit maximal 16 Tabletten Paracetamol und / oder Azetylsalizylsäure frei abgegeben werden dürfen. Ausgenommen von dieser Verordnung sind Patienten mit chronischen Schmerzen. Hier kann der Apotheker Packungseinheiten mit maximal 100 Tabletten abgeben. Noch größere Mengen sind nur auf Rezept zu erhalten.
Auslöser für diese Verordnung war die stark gestiegene Zahl der Paracetamol-Intoxikationen. In Großbritannien werden pro Jahr circa 40.000 Patienten mit dieser Vergiftung in Kliniken eingeliefert. Es kommt zu 100 bis 150 Todesfälle pro Jahr. Die Verordnung schließt bewusst Azetylsalizylsäure mit ein, um den suizidgefährdeten Patienten nicht die Möglichkeit zu geben auf ein anderes Präparat umzusteigen.

Namen / Synonyme: In der amerikanischen Literatur wird der Wirkstoff Paracetamol als Acetaminophen aufgeführt. Weitere Namen sind Tylenol, Acetaminofen, Panadol, Valgesic. Die chemische Formel ist N-Azetyl-p-Aminophenol (C8H9NO2).

Eigenschaften: Paracetamol hat einen leicht bitteren Geschmack, ist in Alkohol frei löslich, sowie in kochenden Wasser. Der Wirkstoff ist ein kristallines, weißes Pulver.

Lagerung: Zubereitungen von Paracetamol sollten nicht bei Temperaturen über 40°C gelagert werden. Orale Lösungen und Suspensionen sind vor Frost zu schützen.

Dosierung / Wirkung / Pharmakokinetik: Die Dosierung liegt im allgemeinen bei 10 - 15 mg Paracetamol / kgKG als Einzeldosis und kann als Maximaldosis auf bis zu 50 mg/kgKG pro 24 Stunden gesteigert werden. Die Einzeldosis kann in Abständen von 4 - 8 Stunden gegeben werden bis zu 3 - 4 mal pro Tag. Bei Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen ist die Dosis zu reduzieren oder das Intervall zu verlängern. Dosen von zwei bis maximal drei Gramm sollten nicht überschritten werden.
Der Wirkstoff wird bei oraler Aufnahme zu ca. 85 % rasch aufgenommen. Die Halbwertszeit beträgt ca. drei Stunden. 25 % des Paracetamols werden an Proteine im Plasma gebunden. Der Abbau erfolgt über die Leber.
Bei Hunden liegt die Maximaldosierung bei 100 mg/kgKG, bei der Katze bei 46 mg/kgKG.

Vergiftung und Vergiftungsmechanismus: Bei Erwachsenen reicht bei einer Dosis von mehr als 10 Gramm Paracetamol der Entgiftungsmechanismus des Körpers nicht mehr aus. Bei Kindern ist die Dosis, durch ein geringeres Körpergewicht, weitaus niedriger. Das zu viele Paracetamol wird nun über das Cytochrom P450 zum N-Acetylimidochinon oxidiert. Dieser sehr reaktionsfähige Metabolit wird normalerweise sofort über die Reaktion mit dem Glutathions abgefangen und das entstandene Produkt über die Niere ausgeschieden. Glutathion steht jedoch nur in begrenztem Umfang in der Leber zur Verfügung; seine Nachbildung kann nicht genügend gesteigert werden. Daher erschöpft sich bei der akuten Überdosierung mit Paracetamol der Glutathion-Anteil. Das N-Acetylimidochinon reagiert nun mit Struktur- und Funktionsproteinen der Hepatozyten, was nach einer Zeit von 24-72 Stunden zur Leberzellnekrose und klinischem Leberversagen führen kann. Als Antidot-Therapie hat sich die parenterale Gabe von N-Azetylzystein (NAC) [Fluimucil®-Antidot] bewährt. Diese Substanz wirkt als SH-Gruppendonator und ersetzt das fehlende Glutathion als "Fängermolekül" für das entstehende N-Acetylimidochinon.

Symptomatik der akuten Intoxikation: Eine unbehandelte Vergiftung mit Paracetamol verläuft immer in zwei Phasen. 12 bis 24 Stunden nach der Einnahme ist ein symptomfreies Intervall zu erkennen. Nach der Aufnahme größerer Mengen ist oft Übelkeit und Erbrechen zu erkennen. Sonst sind maximal Oberbauchbeschwerden und Übelkeit erkennbar. In der hepatischen Phase ist eine Appetitlosigkeit, Übelkeit, Oberbauchbeschwerden und die beginnenden Zeichen einer akuten Leberinsuffizienz erkennbar.

Das symptomfreie Intervall erklärt sich durch den Vergiftungsmechanismus.

Die Diagnose für die aufnehmende Klinik stellt sich meistens schwierig, da der Patient kaum Zeichen der Leberinsuffizienz zeigt. Genau aus diesem Grund wird die Intoxikation auch im Rettungsdienst oft unterschätzt. Die Anamnese des meist ansprechbaren Patienten spielt eine wichtige Rolle. Dabei ist vor allem die aufgenommene Menge an Paracetamol und die Einnahmezeit festzuhalten.

In der Klinik werden folgende Laborparameter sofort erstellt:

  • Leberenzymmuster
    • Meist sind die Transaminasen zum Zeitpunkt der Klinikeinweisung noch im Normbereich. Bei Vergiftungen, die bereits längere Zeit (mehr als 16 Stunden) zurückliegen ist ein für die Intoxikation typisch verändertes Muster zu erkennen.

  • Gerinnungstatus
    • Der Quickwert liefert wichtige Informationen für den Schaden der Leber. Der Anfangswert muss aber bekannt sein.

  • Paracetamolspiegel
    • Vier Stunden nach der Einnahme ist die Resorption und die Verteilung des Paracetamols im Körper abgeschlossen. Nun sollte Serum abgenommen werden. Nur nach Feststellung des Paracetamolspiegels kann die Indikation zur Therapie mit Azetylzystein gestellt werden.

Basis für die Indikation ist das nachstehende Diagramm.

Bei einem Gehalt von 150 mg/l oder mehr an Paracetamol nach einer Zeit von vier Stunden oder 75 mg/l nach einer Zeit von acht Stunden oder 37,5 mg/l nach 12 Stunden ist eine absolute Indikation zur Antidottherapie mit Azetylzystein gegeben (roter Anteil).

Obwohl bei Spiegeln zwischen 100 und 150 mg/l nach mehreren Stunden ein Leberschaden unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen, ist wird eine Antidottherapie mit Azetylzystein empfohlen (gelber Bereich).

Bei Werten von weniger als 100 mg/l nach einem Zeitraum von vier Stunden ist ein Leberschaden nicht zu befürchten und somit eine Antidottherapie nicht sinnvoll.

Therapie der Intoxikation: Der Rettungsdienst hat bei einer Vergiftung mit Paracetamol sofort medizinische Kohle (z.B. Ultracarbon®) in einer Dosis von 1 g / kgKG zu verabreichen. Der Einsatz des Fluimucil®-Antidots für den Rettungsdienst ist nicht indiziert. Alle weiteren Maßnahmen richten sich nach der vorliegenden Symptomatik. Das Auslösen von Erbrechen oder sogar eine Magenspülung darf erst nach der Rücksprache mit einer Giftnotrufzentrale vorgenommen werden.

In der Klinik wird anhand des festgestellten Paracetamolspiegels die Antidottherapie nach dem folgenden Schema durchgeführt.

  Dosierung Verabreichung
1. 150 mg/kgKG N-Azetylzystein in gleicher Menge einer 5%igen Glukoselösung Als Kurzinfusion über 15 Minuten
2. 50 mg/kgKG N-Azetylzystein in gleicher Menge einer 5%igen Glukoselösung Als Infusion über ungefähr vier Stunden
3. 100 mg/kgKG N-Azetylzystein in gleicher Menge einer 5%igen Glukoselösung Als langsame Infusion über die restlichen 20 Stunden

Nach Ablauf von 24 Stunden wird eine erneute Spiegelkontrolle durchgeführt. Die erhaltenen Werte entscheiden über eine erneute Therapie mit N-Azetylzystein.

Prognose: Bei Patienten mit einer therapiebedürftigen Vergiftung kommt es nach einer korrekten Behandlung zu einer völligen Wiederherstellung nach zwei Tagen. Das Zeitintervall für den Einsatz von N-Azetylzystein beträgt mindestens 12 Stunden. Das Antidot wird sehr gut vertragen. Es sind kaum Nebenwirkungen bekannt (Blutdrucksenkungen, selten allergische Reaktionen).

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Copyright © 2007 Ralf Rebmann
Stand: 13. Oktober 2007

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