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Richtlinien der EG-Leitlinie: Klassifizierung von Medizinprodukten

Leitlinien für die Klassifizierung von Medizinprodukten

Praktische Relevanz der Klassifizierung

Allgemeine Anforderungen

Alle Geräte müssen:

  • die Grundlegenden Anforderungen unabhängig von ihrer Risikoklasse erfüllen (siehe Anhang VIII der Richtlinie),
  • Gegenstand zur Meldepflicht des Medizinprodukte-Überwachungssystems sein,
  • mit CE-Kennzeichnung versehen sein (ausgenommen sind Sonderanfertigungen und Geräte zur klinischen Erprobung).

Konformitätsbewertung

Verfahren zur Konformitätsbewertung

Klassen

Anhang

I

I

steril

I

messend

IIa

IIb

III

II (+ Abschn. 4)

 

 

 

 

 

X

II (- Abschn. 4)

 

 

 

X

X

 

III

 

 

 

 

X

X

IV

 

X

X

X

X

X

V

 

X

X

X

X

X

VI

 

X

X

X

X

 

VII

X

X

X

X

 

 

Klinische Unterlagen

Klinische Bewertung

Produkte der Klasse III und Implantate bedürfen generell klinischer Unterlagen über ihre Leistung und zur Einschätzung ungewollter Nebenwirkungen (Anhang X, Abschn. 1.1).

Generell muss eine Bestätigung der Übereinstimmung mit den Anforderungen an die Eigenschaften und Leistungen gemäß Abschnitten 1 und 3 des Anhangs 1 der Richtlinie 93/42/EWG unter normalen Anwendungsbedingungen und zur Beurteilung der ungewollten Nebenwirkungen auf klinischen Unterlagen basieren. Dies gilt insbesondere bei Implantaten und Geräten der Klasse III (Anhang IX, Abschn. 1.1).

Klinische Prüfungen

Klinische Prüfungen mit Geräten der Klasse III so­wie mit implantierbaren und zur langzeitigen Anwendung bestimmten invasiven Produkten der Klasse IIa oder lIb dürfen 60 Tage nach Unterrichtung der zuständigen Behörde beginnen, es sei denn, eine negative Entscheidung der zuständigen Behörde wurde innerhalb dieser Frist mitgeteilt (Artikel 15).

Kennzeichnung

Gebrauchsanweisungen sind bei Geräten der Klasse I und IIa nicht erforderlich, sofern diese Geräte auch ohne Gebrauchsanweisung gefahrlos benutzt werden können (Anhang 1, Abschn. 13.1).

Sonstiges

Der Hersteller, oder die durch den Hersteller ernannte verantwortliche Person für den Verkauf von Klasse I-Produkten, muss der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates, in dem sich der Geschäftssitz befindet, Informationen zu dem betreffenden Gerät vorlegen und seine Anschrift mitteilen (Artikel 14).

Sonderanfertigungen der Klasse I muss die Erklärung gemäß Anhang VII nicht beigelegt werden (Artikel 4).

Durchführung der Klassifizierung

Der Hersteller sollte sich zunächst vergewissern, dass das betreffende Produkt als ein medizinisches Gerät oder Zubehör eingestuft werden kann und unter die Medizinprodukte-Richtlinie fällt.

Allgemeine Definition   

Die Klassifizierungsregeln basieren auf Kriterien wie Dauer des Kontaktes mit dem Patienten, Grad der Invasivität und der durch die Anwendung des Gerätes betroffenen Körperabschnitte. Diesbezügliche Erläuterungen aus Anhang 9 Abschn. 1, der Richtlinie sind diesem Entwurf hinzugefügt. Da diese Definitionen jedoch selbsterklärend sind, können folgende zusätzliche Ratschläge hilfreich sein.

Dauer

Für die Einstufung der Dauer in „vorübergehend“, „kurzzeitig“ oder „langzeitig“ ist die Länge der ununterbrochenen Anwendung maßgebend. Die ununterbrochene Anwendung ist als andauernde, zweckbestimmte Handlung zu verstehen.

Beispiel: Ein Skalpell wird während einer mehrstündigen Operation an einem Patienten benutzt. Die ununterbrochene, zweckbestimmte Anwendung war in diesem Fall das Trennen des Gewebes, was normalerweise wiederkehrend erfolgt, aber immer nur einige Sekunden lang andauert. Ein Skalpell wird daher als „vorübergehend“ eingesetztes Gerät eingruppiert.

Invasivität

Ein Produkt wird als invasiv bezeichnet, wenn es als Ganzes oder auch nur als Teil in den Körper eindringt. Dies kann entweder durch eine bereits bestehende Körperöffnung oder auch durch die Oberfläche geschehen. Bei einem chirurgisch­invasiven Produkt kann man davon ausgehen; dass es durch eine künstlich erstellte Öffnung in den Körper eindringt. Es kann sich hierbei sowohl um eine große Öffnung, wie z.B. um einen chirurgischen Einschnitt, als auch um eine kleine Nadelstich-Öffnung handeln. So sind chirurgische Handschuhe und Spritzennadeln chirurgisch-invasiv.

Hierzu gibt es zwei Ausnahmen:

  • Ein chirurgisch hergestelltes Stoma bei Kolo- oder Ileostomie wird als natürliche Körperöffnung betrachtet. Geräte, die in dieses Stoma eingeführt werden, sind daher nicht chirurgisch-invasiv. Im Gegensatz dazu wird ein chirurgisch erzeugter Zugang zum Kreislaufsystem nicht als „natürliche Körperöffnung“ angesehen. Geräte, die in eine solche Öffnung eingeführt werden, sind chirurgisch-invasiv.
  • Ein Gerät, das Energie in den Körper abgibt, aber nicht selber in ihn eindringt, wird nicht als invasiv bezeichnet. Energie als solche ist kein Gerät und kann daher nicht klassifiziert werden. Nur das Gerät, das die Energie erzeugt, muss klassifiziert werden.

Sobald ein Gerät einen Inhalt abgibt, unabhängig davon, ob es sich um ein Arzneimittel oder um ein Medizinprodukt handelt, muss diese Substanz eigenständig bewertet werden (z.B. Substanzen, die durch eine Impfpistole verabreicht werden).

Eines der Hauptelemente in der Definition des implantierbaren Gerätes stellt die „Art des Eingriffs“ dar. Das Implantat muss nach dem Eingriff im Körper verbleiben. Als „Eingriff“ versteht man in diesem Zusammenhang sowohl den eigentlichen chirurgischen Eingriff, während dessen das Implantat in den Körper eingesetzt wird, als auch die in Zusammenhang hiermit notwendige Betreuung unmittelbar nach der Operation. Der „Eingriff“ reicht nicht bis zum Abschluss der therapeutischen Maßnahmen, z.B. wird die Entfernung eines Implantates wiederum als „Eingriff“ bezeichnet.

So ist eine zur Fixation von Knochenbrüchen eingesetzte Platte ein Implantat, obwohl sie nach Heilung der Fraktur wieder entfernt wird. In diesem Fall handelt es sich um zwei verschiedene chirurgische Eingriffe, einmal das Einsetzen der Platte und zum anderen ihre Entfernung.

Einige teilweise implantierte Produkte werden ebenfalls als Implantat angesehen. Zum Beispiel: Wird eine Operation speziell zum Zweck der Einsetzung eines Portsystems für Infusionen durchgeführt, so würde dieses nach dem Eingriff im Körper verbleiben und wäre somit ein Implantat.

Aber: Ein zum Verschließen einer Hautwunde verwendeter Faden wird noch vor Ablauf von 30 Tagen wieder entfernt und ist somit kein Implantat.

Aktive Geräte

Die Definition der aktiven medizinischen Geräte beinhaltet das Konzept, dass „medizinische Produkte für die Übertragung von Energie, Substanzen oder anderen Elementen zwischen dem aktiven medizinischen Gerät und dem Patienten nicht als aktive medizinische Geräte angesehen werden können, wenn durch sie keine bedeutsamen Veränderungen hervorgerufen werden.“ Das bedeutet, dass z.B. eine Elektrode kein aktives Gerät gemäß dem Klassifizierungssystem ist, solange die zugeführte Energie der abgegebenen Energie entspricht. Der elektrische Widerstand eines Kabels, der zu geringfügigen Änderungen zwischen Ausgangs- und Eingangsleistung führt, stellt keine „bedeutsame Veränderung“ dar. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass eine Elektrode als Zubehör eines aktiven Implantates unter den anzuwendenden Richtlinien für aktive Implantate mit eingebunden ist. Für weitere Informationen zu diesem Thema wird auf die „Leitlinien zur Verwendung der Richtlinie 90/385/EWG zu aktiven implantierbaren medizinischen Geräten“ verwiesen.

Bei Verwendung der Energie des menschlichen Körpers stellt ein Gerät kein „aktives Gerät“ dar, sofern diese Energie nicht innerhalb des Gerätes für nachträgliche Freigabe gespeichert wird. So kann z.B. bei Anwendung einer Spritze zur Verabreichung einer Substanz an den Patienten nicht von einem „aktiven Gerät“ gesprochen werden, da der Kolben der Spritze nur von der durch menschliche Muskelkraft erzeugten Energie vorwärtsgetrieben wird. Wenn jedoch ein Medikamenten-Applikationssystem darauf beruht, dass ein Federwerk mit der Hand aufgezogen wird, dessen Energie anschließend zur Verabreichung der Substanz freigesetzt wird, dann ist diese Einheit mit Feder ein aktives Gerät.

Medizinische Geräte mit Druckgas oder Vakuum als Energiequelle werden als aktive Geräte angesehen.

Radioaktive Quellen mit Zweckbestimmung zur Verabreichung von ionisierender Strahlung sind als aktive Geräte zu betrachten. 

Anwendungsregeln

Die folgenden Punkte sollten bei der weiteren Interpretation der Entscheidungsregeln beachtet werden:

  • Die Geräteklasse wird durch den beabsichtigten Zweck bestimmt, und nicht durch besondere technische Eigenschaften, sofern diese nicht direkten Einfluss auf die Zweckbestimmung des Gerätes haben.
  • Die Geräteklasse wird von der beabsichtigten Anwendung und nicht von aus Versehen angewandten Benutzungsmethoden bestimmt. So ist z.B. ein Faden-Organisations-System, das zur Organisation des Fadengewirrs während einer Herz-Operation bestimmt ist, kein invasives Gerät, da das System normalerweise bei beabsichtigter Anwendung außerhalb des Körpers steht. Wenn z.B. ein praktischer Arzt ein Gerät nicht in der Art und Weise der beabsichtigten Anwendung des Herstellers entsprechend benutzt, so ändert sich angesichts der Konformitätsbewertung nicht die Klasse des Gerätes.
  • Die beabsichtigte Anwendung wird vom Hersteller aus gerätebezogen festgelegt und bestimmt die Eingruppierung des Gerätes in die entsprechende Klasse. Die Geräteklasse für andere ähnliche Produkte ist nicht entscheidend. So können z.B. zwei verschiedene Fäden mit der gleichen Zusammensetzung zwei unterschiedliche Zweckbestimmungen haben.
  • Als Alternative zur Klassifizierung des Gesamtsystems kann die Festlegung der Klasse eines bestimmten Gerätes auch auf den einzelnen Komponenten beruhen, solange selbst die einfachste Konfiguration als eigenständiges Gerät betrachtet werden kann. Ein Gerät als Teil eines Systems, wie z.B. der Schlauch eines Sets zur extrakorporalen Zirkulation, sollte eigentlich auch als eigenständiges Gerät klassifiziert werden. Ähnlich wird bei Gerätekombinationen mit Teilen, die verschiedene zweckbestimmte Funktionen aufweisen, gehandelt. Sie können im Hinblick auf jedes einzelne Teil voneinander getrennt analysiert werden. Ein Drainagesystem zum Beispiel kann aus einem invasiven Schlauch und einem nicht-invasiven Auffangbehälter bestehen. Diese Komponenten können unabhängig voneinander einzeln klassifiziert werden.
  • Zubehör muss unabhängig vom Hauptgerät klassifiziert werden.
  • Für den Fall, dass ein Gerät nach mehreren verschiedenen Regeln klassifiziert werden kann, ist die höchst mögliche Klasse ausschlaggebend. So werden Wundverbände mit Kollagen sowohl in Regel 4 (Klasse 1, Klasse IIa oder Klasse lIb je nach Zweckbestimmung) als auch in Regel 17 (Klasse III) behandelt.
  • Ist ein Gerät nicht ausschließlich oder hauptsächlich zur Anwendung in einem speziellen Teil des Körpers bestimmt, so muss die Klassifizierung unter Berücksichtigung der kritischsten speziellen Anwendung vorgenommen werden. Die Klassifizierung erfolgt auf der Grundlage der Zweckbestimmung, die in den Begleitpapieren angegeben ist. Der Hersteller muss in dieser Hinsicht ausreichend präzise sein. Sollte der Hersteller die spezielle höhere Geräteklasse vermeiden wollen, so muss die beabsichtigte Anwendung entsprechend der niedrigeren Klasse auf der Beschriftung erkennbar sein: Als Mindestforderung muss der Hersteller entsprechende positive oder auch negative Hinweise zur Anwendung zur Verfügung stellen.
  • Bei Geräten, die durch eine speziell-beabsichtigte Anwendung in eine bestimmte Klassifizierungsregel fallen, muss der Hersteller deutliche Angaben zu diesem speziellen Anwendungszweck in den Informationsunterlagen des Gerätes machen. Ansonsten wird angenommen, dass der Anwendungszweck auf dem generell üblichen Gebrauch beruht.
  • Mehrfunktionsgeräte,  wie z.B. Laser-Drucker und Identifikations-Kameras, welche im Zusammenhang mit einem medizinischen Gerät benutzt werden können, sind erst dann als Medizingeräte anzusehen, wenn sie der Hersteller ausdrücklich als Medizingeräte vermarktet.

Anwendung der Regeln und der Entscheidungsmerkmale

Der Hersteller muss alle Regeln beachten, um die richtige Klassifizierung seines Gerätes sicherzustellen. Es ist z.B. durchaus denkbar, dass eine der allgemeinen Regeln nicht speziell für aktive Geräte gedacht ist, jedoch bei einem solchen Gerät verwendbar ist. Alle Geräteeigenschaften müssen berücksichtigt werden. Einzelne Eigenschaften oder auch Eigenschaftskombinationen, die für die höchstmögliche Geräteklasse maßgebend sind, bestimmen in Übereinstimmung mit der beabsichtigten Anwendung die Klassifizierung des Gerätes als Ganzes.

Zur weiteren Verdeutlichung beinhaltet der Anhang 2 Entscheidungsmerkmale in Form eines Flussdiagramms.

Praktische Beispiele

Beispiel: Wunddrainagesystem

Bei einem einfachen Wunddrainagesystem müssen drei Komponenten berücksichtigt werden: Die Kanüle, der Schlauch und der Sammelbehälter. Sollte dieses Gerät ohne Kanüle verkauft worden sein, so muss die Klassifizierung der Kanüle auch nicht beachtet werden.

In diesem Beispiel wird angenommen, dass das Gerät kurzzeitig eingesetzt wird, das heißt, dass die ununterbrochene Anwendung mehr als 60 Minuten und weniger als 30 Tage andauert. Es wird weiterhin angenommen, dass die gesammelte Flüssigkeit weder zur Re-Infusion in den Körper noch zur Wiederaufbereitung für Re-Infusionen gedacht ist, und dass das Gerät nicht dafür vorgesehen ist, an ein energiebetriebenes Saugsystem angeschlossen zu werden.

Als deutliche Folgerung hieraus hätte der Hersteller die Wahl, das Gerät als Ganzes in Klasse IIa einzugruppieren oder aber das Konformitätsbewertungsverfahren einzeln für die Kanüle einerseits und den Schlauch und den Sammelbehälter andererseits durchzuführen.

Handhabung der Interpretationsprobleme

Ist sich der Hersteller bezüglich der Klassifizierung seines Gerätes nicht sicher, so sollte er zunächst eine Benannte Stelle konsultieren. In bleibenden Zweifelsfällen oder auch bei Nichtübereinstimmung mit dieser Benannten Stelle sollte die zuständige Behörde gemäß Artikel 9 der Richtlinie eingeschaltet werden. Des weiteren sieht die Richtlinie innerhalb der Gemeinschaft Regelungen einschließlich eines Komitee-Verfahrens vor, die; derartige Probleme zur Klassifizierung behandeln.

Beabsichtigte Anwendung Regel Klasse
Chirurgisch-invasive Kanülen, die zur Erreichung und Entleerung einer Wundstelle in der Brusthöhle eingesetzt werden 7 II a
Nicht-invasiver Schlauch, der zur Entleerung der Körperflüssigkeit zum Sammelbehälter hin benutzt wird 1 I
Nicht-invasiver Sammelbehälter, der die Körperflüssigkeit auffängt 1 I

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Copyright © 2007 Ralf Rebmann
Stand: 16. Oktober 2007

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