Amphetamine
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Matthias Bastigkeit, Fachdozent für Pharmakologie, Redakteur der Zeitschrift Rettungsdienst

   

Amphetamine

Die Muttersubstanz Amphetamin und deren Verbindungen werden als Weckamine bezeichnet. Sie üben als Psychostimulantien eine anregende Wirkung auf Psyche und Nervensystem aus. Durch eine Abwandlung der Molekülstruktur erreicht man eine Änderung des Wirkungsspektrums. Der zentralerregende Effekt wird verringert, die psychoaktiven und kommunikativen Eigenschaften verstärkt. Je nach Aufbau wirken Designer Drogen mit Amphetamingrundstruktur wie die halluzinogene Komponente im Cannabis, das THC (Tetrahydrocannabinol), ähnlich wie LSD oder sie lösen Effekte aus, die mit dem von Meskalin oder Kokain vergleichbar sind.

Derivate des Amphetamin :

  • Dextromethamphetamin („ice“)

  • DMA (Di-methoxy-amphetamin)

  • DOM ( Dimeth-oxy.methylamphetamin)

  • DOB (Di-methoxy-bromamphetamin)

  • MDA (Methylen-dioxy-amphetamin, love drug)

  • MDE (Methylendioxy-N-ethylamphetamin, Eve)

  • MDMA (Methylen-dioxy-methamphetamin, Ecstasy,  Vitamin E, XTC, Adam, Cardillac)

  • MMDA (Methoxy-methylen-dioxy-amphetamin)

  • PMA (4-Methoxyamphetamin)

  • TMA (3,4,5 Trimethoxyamphetamin)

Ecstasygruppe : Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind MDA, MDMA und MDE. MDMA und MDA wurden als Appetitzügler getestet und in den sechziger Jahren als „love drugs“ benutzt. Bis Ende 1994 wurde MDMA in der Schweiz therapeutisch eingesetzt. Bilder von Ecstasy finden Sie hier.

Eigenschaften und Anwendung : Die drei Methylendioxyamphetamine sind weiße kristalline Pulver, die als Kapseln oder Tabletten vertrieben werden.

MDMA und MDE gehören zur Gruppe der sog. Entaktogene (Tactus = Takt, griechisch en = innerlich, gen = produzieren). Stoffe dieser Gruppe erzeugen „im Inneren ein Gefühl“ und fördern das „in-sich-Hineinversinken“. Die Bereitschaft, Probleme zu erkennen, sie differenziert zu betrachten und sich mit ihnen auseinander zusetzen wird gefördert. Die Kommunikations- und Kontaktfreudigkeit wird gesteigert. Nach strenger Definition gehört MDMA nicht zu den Designerdrogen, da es bereits 1914 synthetisiert wurde und eigentlich auch nicht in die Gruppe der Halluzinogene.

Toxizität :

Dosis: 75 bis 100 mg, Frauen reagieren empfindlicher, die therapeutische Breite ist gering.

Die Wirkung kann nach 15 Minuten, manchmal aber auch erst nach 1 Stunde einsetzen und hält bis zu 4 Stunden an, bei MDA bis zu 8 Stunden. Bei DOB reichen 1 bis 5 mg, um eine halluzinogene Wirkung auszulösen, bei MDA 40 bis 150 mg.

Todesfälle sind ab 200 mg MDMA dokumentiert, in Verbindung mit Alkohol ab 150 mg.

Giftwirkung : Amphetaminderivate  greifen an bestimmten Serotoninrezeptoren an und wirken dort als indirekte Agonisten. Am präsynaptischen Alpha-2-Rezeptor wirken sie antagonistisch. Nach der initialen Freisetzung von Serotonin wird die Aktivität der Tryptophanhydrolase gehemmt, was zu einer lang anhaltenden Verringerung des Neurotransmitters im Gehirn führt. Hiermit kann auch ein Wirkungsverlust bei wiederholter Einnahme erklärt werden. Auch Psilocybin und LSD greifen am Serotonin-Rezeptor an.

MDMA wirkt stärker als MDE und schwächer neurotoxisch als MDA. Axone degenerieren und Zellkörper schwellen im Tierversuch an. Für diese Effekte werden größtenteils aktive Metabolite verantwortlich gemacht.

Insbesondere die Modedroge Ecstasy wird auf „raving partys“ mit Technomusik angewendet. Häufig ist eine Kombination mit „Powerdrings“ wie Red Bull und Guarana. Die Aussage in einer Szene-Zeitschrift „Wenn jemand es schafft, eine Tablette aus purem MDMA zu kriegen, sollte er sie nicht schlucken, sondern einrahmen lassen“ beschreibt ein weiteres Problem sehr treffend. Die Droge kommt meist in verschnittener Form auf den Markt. Eine Streckung geschieht mit Ketamin (Special K), Amphetamin oder Ephedrin.

Symptomatik :

  • Herz:

    • Tachykardie

  • Kreislauf:

    • Hyperthermie, Hypertonie, Hypotonie

  • Nervensystem:

    • Verschlechterung von Hör- und Sehvermögen,

    • Zunahme der Berührungsempfindlichkeit,

    • Abnahme des Schmerzempfindens,

    • Schwindel

    • Nystagmus

    • weite, träge Pupillen

  • Atmung:

    • Hyperventilation

  • Magen-Darm:

    • Erbrechen

  • Muskulatur:

    • Rhabdomolyse

    • Erhöhung des Muskeltonus

Die Hauptgefahr besteht bei akuter Intoxikation im Auftreten kardialer Komplikationen und der Überhitzung infolge von zuviel Bewegung (stundenlanges Tanzen ohne Pause) und zuwenig Flüssigkeitszufuhr. Durch eine Abnahme der Sinnesempfindlichkeit werden Durst, Schmerz und Erschöpfung nicht wahrgenommen, der Konsument tanzt bis zur absoluten Erschöpfung.

Bei vorgeschädigten Personen oder Überdosierung kann Herzstillstand oder Apoplex auftreten. Bei längerfristiger Einnahme kommt es zur Auflösung der quergestreiften Muskulatur (Rhabdomolyse), zu Leberschäden und Gelbsucht (gelbe Konjunktiven). In einigen Fällen wurde die Ausbildung eines Lungenödems und ARDS beschrieben.

Psychische Wirkungen:

  • Ekstase

  • Empathie

  • Gefühl von Friede, Mitgefühl, Fürsorge

  • gesteigertes Selbstwertgefühl

Therapie : Es ist nicht möglich, Empfehlungen für eine Standardtherapie auszusprechen, da das Vergiftungsbild, wie bei allen Designerdrogen, sehr variabel ausfällt. Neben der Reinheit der Substanz führen häufig Streckmittel oder andere konsumierte Drogen zu einer schwer kalkulierbaren Mischintoxikation.

Die Therapie erfolgt symptom- und basismaßnahmenorientiert. Hauptaugenmerk ist auf die Herzfunktion (lückenlose Monitoring) und die Körpertemperatur zu legen.

Aus diagnostischer und forensischer Sicht kommt der Asservierung eine besondere Bedeutung zu.

Wegen der dämpfenden Wirkung auf das zentral-nervöse und das cardiovaskuläre System ist das Auslösen von provoziertem Erbrechen als nicht sinnvoll anzusehen.

Sedierung: Benzodiazepine wie Dormicum®  (Midazolam) sind Mittel der Wahl, Phenothiazine (Atosil® ) haben sich als weniger günstig erwiesen.

Hypertension: Als sehr wirksam hat sich das in der Präklinik ungebräuchliche Nitroprussid-Natrium erwiesen (initial: 10 µg/kg KG/min i.v.). Alpha-Blocker wie Hydergin® erwiesen sich ebenfalls als wirksam.

Aus dem Repertoire der gängigen Notfallmedikamente sind ß-Blocker mit kurzer Halbwertzeit für die hypertensive Therapie geeignet.

Hyperthermie: Bei einer Körpertemperatur über 40°C sollten Kältepackungen angewendet werden. Bei neuromuskulärer Übererregbarkeit sind Benzodiazepine indiziert.

Bei ausgeprägter Hyperthermie sollte Dantrolen (1-3 mg/kg KG i.v.) gegeben werden.

Supraventrikuläre Arrhythmien: Propanolol (1 mg i.v. alle 5 Minuten bis zum Persistieren, maximal 5 mg) oder Verapamil (0,075 bis 0,15 mg/Kg KG).

Ventrikuläre Arrhythmien: Lidocain (1 mg/kg KG i.v. als Bolus, Repetition 0,5 mg/kg KG, bei Schock Dosisreduktion um 50%).

Azidose: Natriumbicarbonat

Da die meisten toxischen Symptome von MDMA auf eine Serotoninüberflutung zurückzuführen sind, erscheint es logisch, Serotoninantagonisten (Methysergid und Cyproheptamine) einzusetzen. Erste Studien verliefen erfolgversprechend.

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Stand: 08. Dezember 2007

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