Die Kokainintoxikation Die Pflanzen der Gattung Erythroxylum stellen den Ausgang der seit ca. 1870 verwandten Droge Kokain dar. Am Anfang dieser Jahrhunderts waren weit mehr als 100 verschiedene Getränke auf dem Markt erhältlich, die Kokain enthielten. Diese Getränke wurden gegen fast alle Arten von Krankheiten (Schmerzen, Kreislaufprobleme, Heuschnupfen, Asthma und viele mehr) eingesetzt. Eines der heute nach am bekanntesten Getränke dieser Zeit ist Coca-Cola®, das aber seit 1903 kein Kokain mehr enthält. Der Einzug des Kokain als
Medikament erinnert, geschichtlich betrachtet, an den Einzug von LSD,
Amphetaminen oder Heroin in der Medizin. Siegmund Freud war ein begeisterter
Verehrer des Kokain und setzte es zum einen an sich selbst (ohne wirklich je
abhängig zu werden), zum anderen setzte er es zur Behandlung von Depressionen
und zur Therapie bei Entzug von Morphium ein. Freud beendete seine Therapie mit
Kokain, nachdem ein guter Freund von ihm an den Wirkungen der Droge verstarb.
Das Tragische daran war, dass Freud selbst seinem Freund Kokain für den
Morphinentzug verschrieben hatte. Viele Schriftsteller kamen in Kontakt mit der
Droge. Es wird vermutet, dass Robert Louis Stevenson, der Kokain gegen seinen
chronischen Katarrh erhielt, das Buch Dr. Jekyll and Mr. Hyde im Kokainrauch
schrieb. Auch Richard Strauss erhielt in einer Frankfurter Klinik zur
Lokalanästhesie einer Nasenscheidewand-Operation ein mit Kokain getränktes
Wattebäuschen in die Nase eingeführt. Er schrieb unter der Einwirkung zwei Arien
seiner Oper Arabella. Zu guter letzt hat auch der berühmte Detektiv Sherlock
Holmes viele Fälle unter der Einwirkung von Kokain lösen können (so stand es
wenigstens in den Romanen, die Realität sieht dabei aber ganz anders aus !)
Stellenwert des Kokain
Anwendungsbereiche Die Droge ist wird in vielen verschiedenen Zubereitungen verwendet. Zum einen wird sie als Pulver geschnupft (koksen), als wässrige Lösung intravenös gespritzt, als Crack geraucht, als Blätter (Koka-Blätter) gekaut und als Tee getrunken. Bei allen Zubereitungen ist die Wirkung jedoch die gleiche. Im zentralen Nervensystem wird durch Kokain die Rückresorption von Katecholaminen, wie Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und Serotonin verhindert. Kokain lässt sich sehr leicht über die Schleimhäute aufnehmen, bei einer Wirkdauer von ca. 15 bis 60 Minuten. Die Aufbereitung von Kokain, indem es mit Backpulver aufgekocht wird, ist als Crack bekannt. Diese billige, leicht herzustellende und sehr schnell wirkende Droge kann mit ihrem niedrigen Schmelzpunkt geraucht werde. Zwei besondere Formen des "Kokaingenuss" ist das Kauen von Koka-Blättern und das Trinken von Koka-Tee. Bei dem Kauen werden die Koka-Blätter zusammen mit Pottasche im Mund zerkleinert. Der alkalische Zusatz Pottasche ist deshalb so wichtig, da so das herausgelöste Kokain chemisch zu Ekgonin umgewandelt wird, das keine suchterzeugende Wirkung besitzt. So ist auch zu erklären, dass die wenigsten Koka-Kauer süchtig sind. In vielen Ländern Südamerikas können Koka-Blätter und auch der "Mate de Coca" (Tee der Koka-Blätter) völlig legal erworben werden. Sogar eine südamerikanische Luftlinie bietet den Passagieren beim Anflug auf La Paz, das auf mehr als 4100 m über dem Meeresspiegel liegt heißen Mate de Coca an. In vielen Hotels von La Paz bekommt man dieses Getränk angeboten, um die Anpassung an die Höhe zu erleichtern.
Kokain ist als "harmlose" Modedroge seit Anfang des Jahrhunderts vor allem in Europa und Nordamerika bekannt. Der richtige Aufschwung der Droge kam aber erst zu Beginn der 80er Jahre und wurde vor allen in der Yuppie-Szene verwendet. Es galt damals als schick und auch als Erkennungszeichen einen kleinen silbernen Löffel, zum Portionieren des Kokains, am Hals zu tragen. Seit 1985 ist das sehr günstige Crack zu erhalten. Ab diesem Zeitpunkt nimmt die Anwendung von Kokain stetig zu. Man geht davon aus, dass in Amerika bereits heute mehr als 25 Millionen Menschen Kokain versucht haben und jeden Tag mehr als 5.000 neue Anwender dazu kommen. Kokain wird heute in allen gesellschaftlichen Schichten verwendet. Es gilt in vielen Kreisen, vor allem bei Künstlern, als stimulierende Droge. Ein Beispiel dafür ist die Verurteilung des Liedermachers Konstantin Wecker. SuchtpotentialDas Suchtpotential der Droge wird auch oft unterschätzt. Kokain nasal aufgenommen macht im Durchschnitt nach drei bis vier Jahren abhängig. Bei der Aufnahme über die Lunge kann Crack eine sofortige Abhängigkeit auslösen, im Mittel macht es nach sechs bis zehn Wochen abhängig. Wirkungseintritt Der Wirkungseintritt von Kokain ist abhängig von dem Aufnahmeweg. Oral treten die ersten Wirkungen nach ungefähr 15 Minuten auf, nasal über die Schleimhäute aufgenommen wirkt es euphorisierend nach 3 bis 5 Minuten, intravenös appliziert entstehen nach 30 bis 45 Sekunden die ersten Zeichen, aber über die Lunge aufgenommen treten die euphorischen Wirkungen bereits nach 5 bis 7 Sekunden auf. Wirkung Kokain stimuliert das zentrale Nervensystem "von oben nach unten". Die gewünschten Wirkungen werden durch eine verstärkte Stimulation des Sympathikus (Rückresorption der Katecholamine wird verhindert) erreicht. Dadurch entstehen die erwünschten Wirkungen, wie starke Euphorie, allgemeine Unruhe und Erregung, gesteigerte Aufnahmefähigkeit und Weckfähigkeit, Abnahme von Ermüdungserscheinungen und eine Mydriasis. Zu den gewünschten Wirkungen folgen die Nebenwirkungen und die unerwünschten Wirkungen des Kokain dazu. Auf die Medulla oblongata wirkt die Droge anregend, so tritt eine erhöhte Atemfrequenz und eine Zunahme des Atemzugvolumens auf. Dieser Atemtyp wird immer schneller und oberflächlicher, bis er einer Hyperventilation gleicht. Nach der Stimulierung des Atemzentrums folgt aber eine Verminderung der Atmung, die von dem Atemtyp Cheyne-Stokes bis hin zur Atemlähmung führen kann. Aus dieser Hypoxie kann sich eine Arrhythmie mit der Folge eine hypoxischen Hirnschadens entwickeln. Durch die Wirkung der Katecholamine erfolgt eine Vasokonstriktion, die eine Erhöhung des Blutdruckes zur Folge hat. Zusätzlich verursacht Kokain eine zentrale Erhöhung der Körpertemperatur. Dieser letzte Effekt ist unter anderem ein Grund warum die Pflanze bei den Indios in Südamerika gekaut wird (in mehr als 4.000 m Höhe ist es auch viel kälter). Die akute Intoxikation mit Kokain wird in drei verschiedene Phasen unterteilt. Die erste Phase, die Phase der frühen Stimulation, kann bereits durch sehr geringe Mengen der Droge ausgelöst werden. Ihr folgt die Phase der späten Stimulation und zum Schluss die Phase der Depression. Phase der frühen Stimulation In dieser Phase kommt es bei dem Anwender, bereits bei sehr kleinen Dosen, zur Euphorie mit einem gesteigerten Wohl- und Lustgefühl. Hemmungen werden beseitigt, der Antrieb gesteigert, das Selbstgefühl gehoben, die Angst abgebaut und die Sexualität angeregt. Zusätzlich ist eine lokalanästhetische Wirkung zu beobachten. Oft tritt bei den Patienten eine Redezwang auf. Zur Übelkeit mit Erbrechen kommt eine innere Erregung mit einer starken körperlichen Unruhe. Die zentral stimulierende Wirkung und die Herabsetzung der Krampfschwelle im ZNS können vor allem im Gesicht zu Muskelzuckungen führen. Die Patienten erleben Halluzination im optischen (Schneelichter), akustischen und taktilen (Kokainwanzen) Bereich. Wie bereits erwähnt kommt es zu einer Steigerung der Körperkerntemperatur. Auch in diesem Stadium kommt es schon zu Effekten am Kreislauf. Der Blutdruck steigt auf Werte die um 15 bis 20 % oberhalb der gewohnten Norm liegen. Am Anfang kommt es zu einer leichten Bradykardie, die meist nicht bemerkt wird und sich kurze Zeit später in eine Tachykardie mit Werten von mehr als 30 bis 50 % oberhalb der Normwerte entwickelt. Zusätzlich kann eine Arrhythmie auftreten. Die Atemfrequenz und das Atemminutenvolumen nimmt zu. Schließlich bekommt der Patient das Gefühl des persönlichen Untergangs und geht in die zweite Phase über. In dieser Phase muss der Rettungsdienst sofort eingreifen, um das nun folgende Kreislaufversagen zu verhindern. Phase der späten Stimulation In dieser Phase findet eine verminderte Reaktion auf alle äußeren Reize statt und es tritt eine allgemeine Hyperreflexie auf. Die tonisch-klonischen Muskelkontraktionen können sich bis hin zum Status epilepticus steigern. Der Blutdruck und die Herzfrequenz steigen weiter an. In sehr seltenen Fällen kommt es auch zu einem Abfall des Blutdruckes bei einer ventrikulären Arrhythmie, meist wird der Puls aber schlecht tastbar und steigert seine Frequenz mit Unregelmäßigkeiten. Nun folgt erst eine periphere Zyanose, die dann in eine zentrale Zyanose übergeht. Ihr folgt der Übergang der Atmung in den Cheyne-Stokes-Typ. Nach dieser Phase geht der Patient in die Phase der Depression über. Phase der Depression Die depressive Phase ist gekennzeichnet durch die schon sehr lange anhaltende Extremstimulation von sämtlichen Funktionen des zentralen Nervensystems. Daraus folgt ein Versagen der Atem- und Kreislaufreaktion. Der Patient verstirbt entweder an den Folgen eines Atemstillstandes, der Lähmung von lebenswichtigen Hirnzentren, meist aber durch die Folgen eines Kammerflimmerns. Folgen des Dauerkonsums Als dauerhafte Folgen eines Gebrauchs von Kokain können die Halluzinationen der optischen, akustischen und taktilen Art bestehen bleiben. Psychische Folgen können Ängste aller Art, Depressionen, Schuldgefühle, Suizidgedanken und Psychosen sein. Durch die Toleranz folgen Antriebsstörungen. Körperliche Zeichen können eine Impotenz sein. Kardiale Auswirkungen können zu einem akuten Myokardinfarkt und zu Arrhythmien führen. Weitere Folgen der Droge können sich in der Ruptur der Aorta ascendens, Subarachnoidalblutungen, Apoplexien und eine intestinale Ischämie sein. Maßnahmen des RettungsdienstesBei Intoxikationen mit Kokain ist die Droge oft noch mit weiteren Stoffen verschnitten, die die kardiotoxischen Wirkungen verstärken. Aus diesem Grund ist meist nur eine symptomatische Therapie, mit dem Ziel den Sympathikotonus zu dämpfen, möglich. Vor allem an den Schutz des Herzens muss gedacht werden. In der präklinischen Phase sollten, nicht nur bei der Intoxikation mit Kokain, möglichst kurz wirksame Präparate eingesetzt werden. Bei ventrikulären und supraventrikulären Arrhythmien und Tachykardien kann der kurz wirksame b-Rezeptorenblocker Esmolol (Brevibloc®) in einer Dosierung von 0,25 mg / kg KG eingesetzt werden. Die Anwendung muss sehr vorsichtig vorgenommen werden. Die Gabe von Lidocain bei ventrikulären Extrasystolen ist umstritten, falls dieser Wirkstoff jedoch eingesetzt wird, dann in einer Dosierung von 50 - 100 mg. Eine Hypertonie kann zum einen mit Glyceroltrinitrat (Nitrolingual®) 2 - 4 Hübe, oder mit den a-Blockern Urapidil (Ebrantil®) 25 - 50 mg oder Clonidin (Catapresan®) 0,15 mg fraktioniert, begegnet werden. Bei einer zentralen Erregung sollten auch hier wiederum kurzwirksame Präparate eingesetzt werden. Zur Sedierung stehen das Thiopental (Trapanal®) in einer Dosierung von 50 - 100 mg, oder kurzwirkende Benzodiazepine, wie das Midazolam (Dormicum®) 5 - 15 mg, zur Verfügung. Die gleichen Medikamente können zur Therapie des eventuell auftretenden Status epilepticus verwendet werden. Bei dem letztgenannten Krankheitsbild kann es sinnvoll sein den Patienten zu relaxieren. Bei einem relaxierten Patienten muss auch eine Intubation erfolgen. Alle Patienten mit einer Kokainintoxikation sind engmaschig zu überwachen. Vermeidbare Fehler Das Personal des Rettungsdienstes und das Personal in der Klinik ist meistens mit der regelgerechten Versorgung eines Kokainintox nicht vertraut, oder erkennt ihn nicht sofort. Aus diesem Grunde kommt es sehr schnell zur Anwendung der "3P-Therapie": Psychische Restriktion, Phenothiazine in gesteigerten Dosen, Psychiatrische Abteilung. Dieses Vorgehen ist aber nicht das Mittel der Wahl. Die Kunst (ART) der Versorgung einer solchen Vergiftung liegt in einer Akzeptanz der Situation, Reduktion äußerer Reize und dem T, dem Herunterreden ("Talk down"). Nach dieser Regel ist vor allem bei Kokainvergiftungen vorzugehen. Anmerkung Man muss sich selbst darüber klar werden, dass man selbst von Drogen abhängig ist, oder aus welchem Grund trinkt man am Morgen Kaffee oder Tee !? |
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