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Tollkirschen-Vergiftungen. Bericht von F. Kanngiesser, Braunfels (Lahn). Auf einem Schulausfluge hatten sich mehrere 12 – 13jährige Mädchen durch den irrtümlichen Genuss von Beeren der reifen Tollkirsche (Atropa Belladonna) vergiftet. Kanngiesser ließ die Kinder einen Bericht hierüber selbst anfertigen. Die einzelnen Symptome wurden in der Darstellung durchweg gut wiedergegeben. Die meisten Kinder gaben an, dass die Beeren sehr süß geschmeckt hätten. Im ganzen hatten 13 Kinder von denselben gegessen, davon fünf nur eine Beere, ein Kind „etwa eine Handvoll“, die übrigen 2 bis 15 Stück. Von zwei der Vergifteten wurde über Kratzen im Halse geklagt, ebenso viele berichteten über Brechreiz und Erbrechen; Schwindel fand sich dreimal, ebenso oft Kopfschmerz. Je einmal fanden sich Klagen über trockenen Hals, heißen Kopf, Stechen in der Seite, Unfähigkeit zum Lesen, Leibschmerzen, sowie Schmerz nach der Magenspülung. Ein Kind befand sich anderen Tages noch „schlecht“. Weniger harmlos war der Verlauf der Vergiftung bei dem Kinde, das eine Handvoll Tollkirschen gegessen hatte: es musste wegen heftiger „Krämpfe“ dem Krankenhaus überwiesen werden, wo es erst nach 3 Tagen zum Bewusstsein kam. Bei allen übrigen Kindern wurden bedrohliche Erscheinungen vermieden, da sowohl seitens des Lehrpersonals wie auch der Ärzte nur das denkbar Beste geschah. Allein diesem Umstand ist es zu verdanken, dass es nicht zu einer schwereren Massenvergiftung kam. Kanngiesser legt mit Recht großen Wert darauf, dass die Kinder in der Schule mit dem Aussehen dieser Pflanze (und der übrigen Giftpflanzen) vertraut gemacht werden. In weit höherem Maße fordert er solche Kenntnisse von Studierenden der Medizin. Übrigens hat Kanngiesser vor einer Reihe von Jahren die Symptome einer Tollkirschenvergiftung an sich selbst studiert, nachdem er zehn reife Beeren zu sich genommen hatte. Diese Vergiftung klang erst nach 7 Tagen vollständig ab. Sie äußerte sich vor allem in starkem Schwindel, Gesichtshalluzinationen und Sehstörungen. Als Symptome ernsterer Art (Zuckungen usw.) auftraten, wurden durch Rizinusöl und Darmeinläufe die noch im Darm befindlichen Beeren entfernt. Danach ging die Vergiftung in den nächsten Tagen langsam zurück (Münch. med. Wochenschr. 1911, S. 2505). (Ausführlicher Bericht [mit Abbildungen] in „Medizinische Welt“ 1927, Nr. 23, S. XII). Referent: C. Bachem, Bonn Quelle: Bachem, C.: Tollkirschen-Vergiftungen. Sammlung von Vergiftungsfällen, A 56, Band 1, S. 125, 1930. |
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