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Toxogonin
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Toxogonin®

Wirkstoff: Obidoximchlorid

Stoff- oder Indikationsgruppe: Antidota, Mittel gegen Vergiftungen mit Organophosphaten

Arzneilich wirksame Bestandteile: 1 Ampulle (1 ml) enthält 0,25 g Obidoximchlorid; 0,65 mg Methyl-4-hydroxybenzoat und 0,35 mg Propyl-4-hydroxybenzoat (Parabene), Natronlauge, Wasser für Injektionszwecke.

Anwendungsgebiete:

Vergiftungen mit Insektiziden aus der Gruppe der Organophosphate (Alkylphosphate, Alkylthiophosphate, Phosphorsäureester, Thiophosphorsäureester), z. B. Parathion = E 605® forte, bei denen die gehemmten Acetylcholinesterasen durch das spezifische Antidot Toxogonin reaktiviert werden können.

Symptomatik der akuten Organophosphat-Vergiftung:

Verdacht auf Vergiftungen mit insektiziden Organophosphaten besteht bei Vorliegen parasympathischer Erregungserscheinungen wie Miosis (kann fehlen!), Bronchospasmus, Brechdurchfall, Bradykardie, Koliken und Kollaps; dazu gehören ferner Krämpfe bzw. fibrilläre Muskelzuckungen, Atemdepression, Lungenödem, Koma.

In leichteren Fällen besteht begründeter Verdacht auf Organophosphat-Vergiftung schon bei folgenden Symptomen: Schwindel, Sehstörungen, Schwäche, Asthma, Nausea, Schwitzen, Erbrechen.

Gegenanzeigen:

Vergiftungen mit Insektiziden der Gruppe der Carbamate (z. B. Aldicarb = Temik® 5G).

Hierbei ist Toxogonin wirkungslos oder kann die Carbamat-Wirkung noch verstärken. In diesen Fällen kommen nur Atropingaben und eine symptomatische Behandlung in Betracht.

Toxogonin darf nicht bei Patienten mit Überempfindlichkeit gegenüber Alkyl-4-hydroxy-benzoaten (Parabenen) angewendet werden.

Nebenwirkungen:

Bei gesunden Probanden wurden Missempfindungen wie Hitzegefühl, Kälteempfinden, Mentholgeschmack, Taubheitsgefühl sowie Muskelschwäche, Mundtrockenheit und eine leichte Erhöhung der Pulsfrequenz und des Blutdrucks beobachtet. Alle Symptome verschwanden spontan nach etwa 2 Stunden.

Bei Vergiftungen mit phosphororganischen Cholinesterasehemmern ist eine Beteiligung von Obidoxim an den folgenden Nebenwirkungen nicht auszuschließen: EKG-Veränderungen, Herzrhythmusstörungen, und bei einer Dosierung von mehr als 2000 mg Leberfunktionsstörungen. Nach Gabe von 3000 – 10 000 mg innerhalb von 1 – 3 Tagen muss mit dem Auftreten eines cholestatischen Ikterus gerechnet werden.

Aufgrund des Gehaltes an Methyl-4- und Propyl-4-hydroxybenzoat (Parabene) können bei entsprechend veranlagten Patienten in seltenen Fällen Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten.

Dosierung mit Einzel- und Tagesgaben:

Initialdosis:

Erwachsene: 250 – 500 mg (4 – 8 mg/kg Körpergewicht) langsam i.v.

Kinder: 4 – 8 mg/kg Körpergewicht langsam i.v.

Die erste Anwendung sollte so früh wie möglich erfolgen.

Wiederholungsgaben von 1 mg/kg/Stunde im Abstand von 2 – 4 Stunden bis zu einer Gesamtdosis von 1000 – 2000 mg.

Die Angaben über die Häufigkeit von Wiederholungsgaben und die Gesamtdosis variieren. In der Literatur wird eine Gesamtdosis von 500 – 5000 mg und mehr angegeben.

Bei einer Gesamtdosis von 1000 – 2000 mg ist mit klinisch relevanten Leberfunktionsstörungen nicht zu rechnen.

Art und Dauer der Anwendung:

Der Verabreichung von Toxogonin gehen allgemeine Maßnahmen der Notfallmedizin und erste Atropin-Gaben voraus! Da die Notfallmaßnahmen der ersten Viertelstunde für das Schicksal des vergifteten Patienten entscheidend sind, muss die Behandlung bereits vor der Klinikeinweisung beginnen!

Folgende Maßnahmen sind möglichst rasch durchzuführen:

Allgemeine Maßnahmen

Bei Giftaufnahme per os sofortige Magenspülung und anschließende Instillation von Aktivkohle, ggf. mit Wiederholung.

Bei Giftaufnahme durch die Haut Entfernung der Kleider und Ganzkörperwaschung mit Natriumbikarbonatlösung oder Polyäthylenglykol.

Generell: Freihalten der Atemwege (Intubation), Sekretabsaugung und evtl. künstliche Beatmung.

Sofortiger intravenöser Zugang, Volumensubstitution (Plasmaexpander).

Bei Lungenödem (bronchiale Sekretflut!) sofort Atropin hoch dosiert.

Atropin-Medikation

So schnell wie möglich Atropin geben: 2 – 5 mg intravenös, im Abstand von 5 – 15 min wiederholen bis zur deutlichen Atropinisierung (Kontrolle anhand der Mundtrockenheit bzw. der Menge des Bronchialsekrets bei intubierten Patienten).

Die Atropin-Toleranz ist bei Organophosphat-Vergiftungen sehr hoch.

Einzeldosen bei Kindern 1 – 3 mg.

Die systematische Behandlung mit Atropin muss schon vor dem Transport in das Krankenhaus eingeleitet werden. Sie dient der Bekämpfung des drohenden Herzstillstandes in der Bradykardie. Die Atropinisierung sollte bis zum Auftreten von Zeichen einer Überdosierung gehen (heiße, trockene Haut, Mundtrockenheit, leichte Tachykardie).

Toxogonin-Medikation

Zur Beachtung:

Die Toxogonin-Anwendung macht auf keinen Fall Atropin überflüssig!

Anschließend an die ersten Atropin-Gaben beginnt die spezifische Antidot-Behandlung mit 1 Ampulle Toxogonin langsam intravenös. Diese Medikation kann in Abständen von 2 Stunden 1- bis 2mal wiederholt werden. Die erste Toxogonin-Gabe sollte möglichst nicht später als 6 Stunden nach der Intoxikation erfolgen (dies gilt nicht für die Atropin-Gabe).

Da Tierversuche bei intraarterieller Injektion von Toxogonin eine gewisse Reizwirkung gezeigt haben, sei auf die Notwendigkeit einer lege artis durchzuführenden intravenösen Injektion besonders hingewiesen. Toxogonin kann auch intramuskulär injiziert werden.

Falls der Injektion von Toxogonin bei einer Insektizid-Vergiftung nicht innerhalb kurzer Zeit eine deutliche Besserung folgt, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit keine durch Toxogonin beeinflussbare Organophosphat-Vergiftung vor oder es handelt sich um bereits gealterte und nicht mehr mit Toxogonin reaktivierbare Acetylcholinesterasen. Weitere Injektionen von Toxogonin sollten dann unterbleiben.

In Abhängigkeit von der wechselnden individuellen Vergiftungssituation wie insbesondere Art und Menge der aufgenommenen Organophosphate sowie weiteren Faktoren lässt sich das Ausmaß der mit Toxogonin erzielbaren Antidotwirkung im Einzelfall nicht sicher voraussagen. Zur Wahrung der Option auf eine bestmögliche Beeinflussung der Intoxikation im Rahmen von deren Gesamtbehandlung ist die Anwendung von Toxogonin bei Vergiftungen mit Organophosphaten grundsätzlich sinnvoll. Überdosierungen sind hierbei zu vermeiden. Wird die Toxogonin-Medikation wie vorgeschlagen durchgeführt, so ist hierdurch keine zusätzliche Gefährdung des Vergifteten zu erwarten.

Kompatibilität mit Infusionslösungen: Toxogonin (250 mg) ist mit 250 ml Glucosteril (5 %) oder 250 ml physiologischer Kochsalzlösung für 24 h kompatibel.

Notfallmaßnahmen, Symptome und Gegenmittel:

Aus einer erheblichen Überschreitung der für Toxogonin empfohlenen Einzel- und Gesamtdosis kann ein gegenteiliger Effekt resultieren, der in einer zusätzlichen Hemmung von Acetylcholinesterasen mit Verstärkung der Vergiftungssymptomatik besteht. Eine derartige Risikosituation kann sich insbesondere dann ergeben, wenn im Körper hohe Konzentrationen von Toxogonin mit großen Mengen an Organophosphat zusammentreffen. Als Gegenmaßnahmen kommen in diesem Fall wie bei schweren Organophosphat-Vergiftungen die Hämoperfusion oder Blutaustauschtransfusionen in Betracht.

Ferner kann bei erheblicher Überdosierung von Toxogonin dessen Beteiligung an passageren Leberfunktionsstörungen nicht ausgeschlossen werden.

Pharmakologische Eigenschaften:

Obidoximchlorid kann blockierte Acetylcholinesterasen reaktivieren, die in ihrer Funktion durch Insektizide aus der Gruppe der Organophosphate gehemmt sind. Toxogonin ist ein kausales Antidot, da es den Ursachen der durch Organophosphate hervorgerufenen Vergiftungserscheinungen (Acetylcholinesterasenhemmung und nachfolgende Acetylcholinanhäufung) entgegenwirkt.

Die unentbehrliche symptomatische Behandlung der Organophosphat-Vergiftung mit Atropin kann durch Toxogonin sinnvoll ergänzt werden.

Toxikologische Eigenschaften:

Nach tierexperimentellen Untersuchungen ist Obidoximchlorid ein Wirkstoff mit relativ geringer Eigentoxizität und mit großer therapeutischer Breite. Überdosierungserscheinungen sind bei Tieren nach intravenöser Gabe ab 50 mg Obidoximchlorid/kg KG zu beobachten. Die akute Vergiftungssymptomatik ist bei verschiedenen Tierarten durch Muskelschwäche, motorische Lähmungs- und Erregungszustände, Dyspnoe und Atemlähmung gekennzeichnet. Ähnlichkeiten zur Organophosphat-Vergiftung stehen im Einklang mit dem Befund, dass Acetylcholinesterasen durch hohe Konzentrationen von Toxogonin gehemmt werden können.

Akute Toxizität:

Für Obidoximchlorid wurden die nachfolgenden DL 50 -Werte ermittelt, die sich jeweils auf mg/kg KG beziehen:

Intravenös: Maus 70, Ratte 133, Katze, Kaninchen ca. 100, Hund 70.

Intramuskulär: Maus 172, Katze ca. 200.

Intraperitoneal: Maus 150, Ratte 225.

Oral: Maus 2240, Ratte 4000.

Subakute Toxizität: Ratten vertrugen ohne erkennbare Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes die intraperitoneale Injektion von täglich 68 mg Obidoximchlorid/kg KG für die Dauer von 30 Tagen. Nach täglichen Injektionen von 113 mg/kg KG und 158 mg/kg KG starben innerhalb des Zeitraumes von 30 Tagen 30 % bzw. 100 % der Versuchstiere, wahrscheinlich an Atemlähmung; Organschäden konnten nicht festgestellt werden.

Mutagenität: In vitro zeigte Obidoximchlorid keine mutagenen Eigenschaften. Befunde in vivo sind bisher nicht bekannt.

Pharmakokinetik:

Nach intramuskulärer Injektion einer Ampulle Toxogonin (0,25 g entsprechend ca. 3 mg

Obidoximchlorid/kg KG) bei Probanden wurden nach 20 bis 40 min. maximale Obidoximkonzentrationen im Blut von etwa 6 mg/ml erreicht. Bei einer Halbwertszeit im Bereich von 2 Stunden wurde die Substanz mit dem Harn unverändert ausgeschieden. Nach 2 Stunden waren 52 % und nach 8 Stunden 87 % der injizierten Dosis eliminiert.

Befunde zur Pharmakokinetik und zum Metabolismus von Obidoximchlorid (Toxogonin) nach intravenöser Anwendung bei Patienten mit Organophosphat-Vergiftung sind bisher nicht bekannt geworden.

Sonstige Hinweise:

Schwangerschaft: Ausreichende Erfahrungen über die Anwendung von Toxogonin in der Schwangerschaft liegen bisher nicht vor. In einem Fall, bei dem Obidoxim (1250 mg in 24 h) an eine Schwangere im 5. Monat verabreicht wurde, waren hiermit keine nachteiligen Folgen für Mutter und Kind verbunden.

Dauer der Haltbarkeit: 5 Jahre.

Darreichungsformen und Packungsgrößen: 5 Ampullen (1 ml) N 1

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Stand: 21. Oktober 2007

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