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Phalloides-Syndrom
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Knollenblaetterschwamm-Vergiftungen

Das Phalloides-Syndrom

Bei 90 % der tödlichen Pilzvergiftungen ist das Phalloides-Syndrom zu erkennen. Es hat eine sehr lange Latenzzeit (um die 10 Stunden) und hat zum größten Teil einen zweiphasischen Verlauf.

Symptome: Nach einem symptomfreien Intervall nach der Mahlzeit von acht bis zwölf Stunden, das manchmal auch zwischen vier und 48 (!) Stunden liegen kann zeigen sich die ersten Symptome. Als Hinweis kann angenommen werden: Lange Latenzzeit = gefährliche Pilzvergiftung! Aber auch Pilzvergiftungen mit einer kurzen Latenzzeit dürfen nicht unterschätzt werden, da Mischintoxikationen möglich sind! Die ersten Zeichen zeigen sich in plötzlich einsetzender Übelkeit, Erbrechen, wässrigen Durchfällen und starken, kolikartigen abdominellen Beschwerden, die an eine Cholera erinnern. Durch diesen Wasser- und Elektrolytverlust kann eine Schocksymptomatik auftreten. In dieser gastrointestinalen Phase ist niemals ein Fieber zu erkennen. Diese Phase kann 12 bis 24 Stunden andauern. In manchen Fällen kann sie sogar zwischen zwei und vier Tage betragen. Meist ist bei den Patienten eine Besserung zu erkennen, die aber den gefährlichen weiteren Vorgang verschleiert. Nach einer weiteren Latenzzeit von 12 bis 24 Stunden macht sich die gefährliche Vergiftung durch eine Veränderung der Laborparameter bemerkbar. Hier sind als erstes die Transaminase- und Blutgerinnungswerte betroffen. In schweren Fällen kommt es in der hepatorenalen Phase zu einer schnellen Darstellung der Symptome. Diese bestehen aus einem Ikterus mit einer Hyperbilirubinämie, Druckempfindlichkeit der Leber, Blutungen aus Magen und Darm, einer Oligurie bis zur Anurie bis hin zum Coma hepaticum mit allen Formen von Bewusstseinsstörungen. In schweren Fällen tritt nach vier bis sieben Tagen der Tod ein. Wird diese Zeit überlebt, kann es zu einer langsamen, aber kompletten Regeneration der Leber kommen.

In der hepatorenalen Phase ist auch der Verlauf der Intoxikation durch die Laborparameter gekennzeichnet.  Vor allem die Prothrombinzeit (Quick-Wert, Thromboplastinzeit), die Transaminasen (SGOT, SGPT), die Laktatdehydrogenase (LDH), der Harnstoff, das Kreatinin, die Glukose und das Serumbilirubin zeigen die meisten Abweichungen. Für die Prognose der gefährlichen Intoxikation eignet sich vor allem der Quick-Wert. Nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1982 ergab sich, dass in den Fällen in welchen der Quick-Wert über 40 % lag, die Patienten überlebten. Bei einem Quick-Wert unter 10 % lag die Letalität bei 84 %.

Toxine: Bereits im 19. Jahrhundert ist Amanita phalloides nach Toxinen durchsucht worden. 1891 wurde ein hämolytisches Toxin gefunden (Phallolysin). Da das Toxin hitzelabil ist, kam es als Auslöser für die Intoxikationen nicht in Frage. Heute ist bekannt, dass sich mehrere verschiedene Giftgruppen in dem Pilz befinden. Es handelt sich um Amatoxine, Phallotoxine und die Virotoxine. Die letzte Giftgruppe wird in Europa nur in Amanita virosa gefunden.

Amatoxine: Es sind bis heute neun verschiedene Toxine entdeckt worden. Es handelt sich um α-Amanitin, β-Amanitin, γ-Amanitin, ε-Amanitin, Amanin, Amaninamid, Amanullin, Amanullinsäure und Proamanullin. Alle Amatoxine sind farblos und lassen sich in Wasser und Methanol lösen. Meist handelt es sich um kristalline Verbindungen. Alle Toxine sind gegen Hitze, Enzymen und Einwirkungen aus dem Magen-Darm-Trakt stabil.

Phallotoxine: Es sind bis heute sieben verschiedene Toxine entdeckt worden. Es handelt sich um Palloidin, Phalloin, Prophalloin, Phallisin, Phallacin, Phallacidin und Phallisacin. Alle Phallotoxine sind farblos und lassen sich in Wasser und Methanol lösen. Meist handelt es sich um kristalline Verbindungen. Alle Toxine sind gegen Hitze, Enzymen und Einwirkungen aus dem Magen-Darm-Trakt stabil.

Virotoxine: Bis heute sind sechs verschiedene Toxine entdeckt worden. Es handelt sich um Viroidin, Desoxoviroidin, Alaviroidin, Aladesoxoviroidin, Viroisin und Desoxoviroisin. Alle Virotoxine sind farblos und lassen sich in Wasser und Methanol lösen. Meist handelt es sich um kristalline Verbindungen. Alle Toxine sind gegen Hitze, Enzymen und Einwirkungen aus dem Magen-Darm-Trakt stabil.

Lignin-Test: Ein geringer Teil des verdächtigen Pilzes wird auf ein Stück holzhaltiges Papier einer Zeitung (keine Illustrierte) ausgedrückt. Die Stelle wird markiert und nach dem Trocknen mit einer ca. 25 %igen Salzsäure angefeuchtet. Bei einer Menge von mehr als 0,02 mg Amatoxine findet nach einem Zeitraum von 5 - 10 Minuten eine Verfärbung des Fleckes in Richtung grünblau bis blau ein. Auch wenn die Reaktion ausbleibt, darf nicht auf harmlose Pilze geschlossen werden! Dieser Test wird fälschlicherweise oft als Meixner-Test bezeichnet.

Toxikologie: Heute ist man sich sicher, dass nur die Amatoxine für die Vergiftung verantwortlich sind. Sie schädigen die Kerne der Leberzellen. Grundsätzlich hemmen Amatoxine die RNA-Polymerase B aller eukaryonter Zellen. Die letale Dosis für den Menschen liegt bei 5 - 7 mg Amatoxine. Eine kurzzeitige Einwirkung hat keine negative Wirkung, da die Toxine aber einem enterohepatischen Kreislauf unterliegen sind immer schädigende Wirkungen zu erkennen. 

Die Phallotoxine verändern die Membranen der Leberzellen. Es bilden sich Ausstülpungen, in die sich Blut ansammelt. Oral aufgenommen zeigen diese Toxine keine Wirkungen. Sie sind um den Faktor 10 schwächer toxisch als die Amatoxine.

Fallbeschreibungen finden Sie hier:

Maßnahmen: Jeder Patient mit dem Verdacht auf eine Pilzvergiftung durch einen Knollenblätterpilz muss stationär aufgenommen werden! Es wird keine Symptomatik abgewartet, sondern sofort mit der Therapie begonnen. Ziel der präklinischen Therapie ist es zum einen das Gift zu eliminieren und die hepatische und intestinale Aufnahme zu verhindern. Jeder Patient mit dem Verdacht auf eine Knollenblätterpilzvergiftung bekommt 1 g medizinische Kohle pro Kilogramm Körpergewicht. Da alle Pilze schwer verdaulich sind, ist eine wiederholte Gabe in der Klinik notwendig. Der Pilz ist durch einen Pilzberater zu bestimmen. Die Flüssigkeitsverluste durch Durchfall und Erbrechen sind mit kristalloiden Lösungen auszugleichen. In der Klinik ist eine spezifische Therapie, unter anderem mit Penicillin G und Silibin möglich.

Prognose: Die Prognose ist sehr ernst

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Stand: 29. Oktober 2007

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