Hyoscyamus niger L. Namen: Schwarzes Bilsenkraut, Apolloniakraut, Dolldill, Dullkraut, Hühnertod, Rasewurz, Saukraut, Schlafkraut, Tollkraut, Zahnkraut, Zigeunerkraut. Historie: Die Gefährlichkeit der Pflanze ist schon sehr lange bekannt. Sie war im Jahre 1538 ein Bestandteil von Hexenprozessen. Hier wurde den Beschuldigten Teile der Pflanze verabreicht, um im Rauschzustand ein Geständnis zu erhalten. Auch für Morde und Selbstmorde wurde das schwarze Bilsenkraut verwendet. Vergiftungen waren früher häufig durch die Verwechslung von Pflanzenteilen mit anderen Gemüseteilen. Selbst Massenvergiftungen sind in der Literatur zahlreich beschrieben. Auch in den Werken von Schriftstellern ist Hyoscyamus niger erwähnt. So findet man die Pflanze bei Shakespeares Hamlet und in dem Rattenfänger von Hameln von Julius Wolf im Jahre 1876. Beschreibung: Das ein- bis zweijährige Kraut kann 30 - 80 cm hoch werden. Die klebrig-zottig behaarten Stengel sind aufrecht und bis oben hin beblättert. Auch die Blätter sind klebrig-zottig behaart. Die grundständigen Blätter sind langgestielt, die am Stengel stehenden umfassen den Stengel halb. Alle sind buchtig gezähnt. Die schmutzig-gelben mit violetten Adern und violetten Schlund einseitswendig stehenden Blüten haben eine knäuelartiger Formation am Stengel und sind fast ungestielt. Aus ihnen entwickelt sich eine zweifächerige Kapsel, die bis zu 200 nierenförmige braunschwarze Samen enthält. Blütezeit: Juni - Oktober Früchte: August - Oktober Vorkommen: Die Pflanze ist in Nordafrika, Nordasien, Nordindien und in Europa zu finden. In Europa ist sie im Mittelmeergebiet und Mitteleuropa bis nach Skandinavien heimisch. Die zerstreut bis selten auftretende Pflanze bevorzugt Wegränder, Straßenränder, Hänge, Brachland und Schuttgelände. Wirkstoffe: In der Pflanze sind Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin enthalten. Die Konzentration der Alkaloide beträgt in den Samen bis zu 0,3 % und in den Blättern bis zu 0,17 %. Giftige Teile: Die ganze Pflanze, vor allem die Wurzeln und die Samen, sind sehr stark giftig. Wirkung: Die tödliche Dosis soll bei Kindern 15 Samen betragen. Vergiftungen entstehen heute relativ selten durch die Verwechslung der Wurzeln mit Garten-Schwarzwurzeln oder der Samen mit Mohnsamen. Auf das Großhirn, das Zwischenhirn und das verlängerte Mark haben die Wirkstoffe eine zentral erregende Wirkung. Peripher bewirken sie an allen cholinerg reagierenden Nervenendigungen eine lähmende Wirkung. Die erkennbaren Anzeichen sind eine psychomotorische Unruhe, eine allgemeine Erregung, Übelkeit, selten Erbrechen, Kopfschmerzen und Schwindelgefühl. Die Haut und die Schleimhäute haben eine rote Farbe und sind heiß und trocken. Die Körpertemperatur ist ebenfalls erhöht. Der starke Rededrang des Vergifteten äußert sich auch mit einer Euphorie, einem ungeordneten starken Bewegungsdrang und Schüttelkrämpfen. Zu den auftretenden Halluzinationen kommt eine Zunahme der Erregungszustände. Der Patient hat weite und lichtstarre Pupillen. Oft kommt es zu Störungen der Sprache und des Sehvermögens. Auf die Atmung bewirken die Inhaltsstoffe eine Beschleunigung und Vertiefung der Atemzyklen. Der Pulsschlag ist erhöht und mit einem Herzklopfen, sowie einem Anstieg des Blutdruckes verbunden. Im Finalstadium kommt es zur Bewusstlosigkeit mit der tödlichen Atemlähmung. Maßnahmen: Die sofortige Gabe von medizinischer Kohle ist die erste Hilfestellung. Der Patient ist zu beruhigen. Gegen die auftretenden Krämpfe können Benzodiazepine, wie Diazepam oder Midazolam, oder Barbiturate eingesetzt werden. Die Benzodiazepine haben sich auch bei der Sedierung des erregten Patienten sehr bewährt. Bei Atemstörungen muss der Patient intubiert und mit Sauerstoff beatmet werden. Als spezifisches Antidot kann Physostigminsalicylat gegeben werden. Die Dosis bei Kindern beträgt 0,5 mg und bei Erwachsenen 2 mg i.m. oder langsam i.v. . Diese Medikamentierung darf nur unter Monitorkontrolle vorgenommen werden. Bei einem erneuten Auftreten der Symptomatik kann dieses Antidot nachinjiziert werden. |